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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 10
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Andrae, Walter: Baalbek
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0311

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BAALBEK, RIESENBLÖCKE AN DER RÜCKSEITE DES JUPITERTEMPELS

zweifeln. Sie ist der unseren insofern geistesver-
wandt, als auch wir mit alten Formen zu spielen
verstehen, unbekümmert um ihren tieferen Sinn
und ihre ursprüngliche zweckvolle Bestimmung.
Der Begriff Barock drängt sich auf. Säulen und
Gebälke in reichen und stark sprechenden Ver-
kröpfungen, gebrochene Verdachungen und das
Kühnste an Schwung und Gegenschwung bei dem
kleinen Rundtempel, der vielleicht der Tyche ge-
hörte, erinnern stark an unser siebzehntes und
achtzehntes Jahrhundert. Das ist freilich ein Ent-
wicklungsgang, der mit dem orientalischen Ein-
fluß nicht unmittelbar gegeben war, der aber stark
und breitspurig über ganz Syrien von Norden bis
ganz nach Süden hinwegführt. Palmyra, Hauran,
Ostjordanland, Petra sind die Zeugen. Dort ist
überall das Barocke mit dem Großartigen, Groß-
zügigen verbunden wie in Baalbek, als sei es diesen

Leuten gar nicht möglich gewesen, anders als in
Riesenmaßen zu reden. An der Spitze steht Baal-
bek. Und damit stehen wir wieder vor dem
großen Geheimnis: wie gelangte dieser Jupiter,
dieser Nachfolger eines kleinen syrischen Orts-
baal, von dem keinerlei Überlieferung zu uns
herüberreicht, bei den hellenistischen Syrern der
Römerzeit zu solcher Herrscher würde? Abseits
von den großen Handelswegen, an einer halbver-
steckten Bergquelle, in einem Örtchen ohne poli-
tische, ohne weltgeschichtliche BedeutungI Daß
der Römer seine Hand im Spiele hat, scheint mir
das Rätsel nicht zu lösen. Das erklärt uns nur
die riesige organisatorische Leistung, das Tech-
nische der Bauten, nicht auch die treibende Kraft
des Riesenkultes, für den ein so übermäßig großes
Gefäß geschaffen wurde. Was hätte den Römer
veranlassen sollen, ohne zwingende innere Gründe

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