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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 22.1924

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Heft 11
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Scheffler, Karl: Das Berliner Museum ostasiatischer Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4654#0338

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zeigt werden. Übrigens kann man auch vorne von
einer ständigen Ausstellung insofern nicht sprechen,
als von Zeit zu Zeit gewechselt werden soll, eben
weil genug Gegenstände vorhanden sind, um das
Museum bei der sparsamen Art der Aufstellung
dreimal neu zu füllen. Auch die historische An-
ordnung von der Gegenwart rückwärts bis zur
Vergangenheit, dort, wo sie sich im Dämmer der
Geschichte verliert, verzichtet also auf unmittelbare
Wirkung. Das ist sehr vornehm; doch wäre es
psychologisch wirksamer, wenn der Besucher mit
einem starken Eindruck empfangen, wenn er ge-
waltsam gleich in diese seltsame, fremdartige Kunst-
welt hineingeworfen würde.

Denn fremdartig bleibt dem Europäer diese
Kunstwelt, wie sie ihn auch mit ihren Reizen ver-
schwenderisch überschüttet. Symbolik wächst hier
dem Leben zu, Gewerbe wird Kunst, Dekoration
gewinnt geistige Bedeutung, Großes ist im Kleinsten
versteckt, Persönliches im Konventionellen, alles
ist doppelsinnig gemeint, Praktisches erscheint im-
materiell und das Geheimnis ist wie eine Gewohn-
heit des Tages. Die klare und zarte Bestimmtheit
der Formgebung schließt europäisches Empfinden
auf einem gewissen Punkt immer wieder aus, die
phantasievolle Exaktheit der Sehweise ist wie aus
einer andern Welt. Ostasien
spielt mit dem, was uns er-
schüttert und es erschüttert
mit dem, was uns Spiel ist.
Und doch bleibt die Kunst
immer ein und dieselbe Kunst,
ob sie im Ostaskn des sieb-
zehnten Jahrhunderts, im
Deutschland der Gotik oder
im Frankreich des neuzehn-
ten Jahrhunderts gemacht wor-
den ist. In diesem neuen
Museum, wo blinde Fenster-
scheiben jeden Blick ins Freie

verbieten, wo man mit einer fremdartigen Kunst-
welt wie eingeschlossen ist, wirkt auch, über alles
ethnographisch Trennende hinweg, etwas allgemein
Menschliches. Die fremde Form beginnt in ge-
fängnisstarrer Konvention zu leben und von Ge-
fühlen zu künden, die von Klima und tausend-
jähriger Sitte, von Geschichte, Gewohnheit und
Art der Gattung wohl determiniert werden können,
die letzten Endes aber auf dasselbe Schwingungs-
gesetz des Daseinswillens zurückzuführen sind, dem
alle Menschen unterworfen sind.

Es kommt eine Zeit, die die fernsten Völker
einander näher rückt als jemals vorher, wo Orient
und Okzident in Wahrheit nicht mehr zu trennen
sind, wo die Geschichte mit Kontinenten rechnen
wird wie bisher mit Ländern, und wo die Zivili-
sation äußerlich ausgeglichen werden wird. Dieser
Zeit ist das Berliner Museum ostasiatischer Kunst,
das vor dreißig Jahren noch undenkbar gewesen
wäre, etwas wie ein Wegweiser. In diesem Sinne
ist es ein ganz modernes Museum. Es ist zugleich
ein Denkmal für das, was sich von Jahr zu Jahr
mehr verwischt: für die gewachsene Kultur ganz
auf sich selbst angewiesener Völker. Die An-
regungen, die ein solches Museum geben kann,
dem Künstler, dem Kunsthandwerker, dem Ge-
schichtsfreund, dem Ethnogra-
phen, dem Lebensdenker über-
haupt, sind unabsehbar. Es ist
darum zu wünschen, daß das
Museum in seiner heutigen Ge-
stalt nur als ein Anfang be-
trachtet wird, und daß an sei-
nem Ausbau ebenso zielbewußt
und ernst weiter gearbeitet
wird — gearbeitet werden kann
— wie die vortrefflichen Män-
ner, die es geschaffen haben
und die es leiten, bisher ge-
arbeitet haben.

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JAPAN 17.-19. JAHRHUNDERT

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