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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 8
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Scheffler, Karl: Eine Zeichnung für den Holzschnitt von Alfred Rethel
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https://doi.org/10.11588/diglit.4653#0329

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EDVARD MÜNCH IN SEINEM FREILUFT ATELIER

PHOTOGR.: LUTZ & CO., BERLIN

EINE ZEICHNUNG FÜR DEN H O LZS CHN ITT VON ALFRED RETHEL

Das Aristophanes-Blatt Alfred Rethels stammt aus seinen
letzten Jahren, bevor der Wahnsinn ausbrach. Wahr-
scheinlich ist es 1852 entstanden. In einem Brief vom
6. April 1852 an den Bruder schreibt er von der Arbeit an
„Wittekinds Taufe" und erwähnt dabei „vielfache klassische
Kunstgenüsse". Daraus kann das merkwürdige Blatt sehr
wohl entstanden sein. Es stellt etwas wie eine Vision des
Aristophanes vom Urteil der Geschichte dar. Aristophanes
ist als Schrittmacher für die Gedanken zu nehmen, die Re-
thel im Betrachter erwecken will — Gedanken, die sich mit
dem Wettstreit der großen griechischen Tragiker, mit ihrem
geistigen Gefolge und mit der Danäiden- und Sisyphusar-
beit im Hintergrund beschäftigen. Es gibt von dem Blatt
eine Sepiatuschzeichnung (abgebildet im XIV. Jahrgang,
Seite 38) und eine Federzeichnung mit Tusche auf Buchs-
baumholz. Die Zeichnung sollte also in Holz geschnitten
werden. Es ist infolge der bald eintretenden Katastrophe
unterblieben. Der Holzstock, der eine besondere Kostbar-
keit ist, wird in der Nationalgalerie aufbewahrt. (Unter der
Bezeichnung „Aeschylos in der Unterwelt".) Der bekannte
Berliner Holzschneider O. Bangemann hat die Zeichnung

nun originalgroß photographisch auf einen andern Holzstock
übertragen und hat sie dann faksimilegetreu geschnitten —
so getreu, daß er sogar die helleren Striche, wo die Tusche
dünner geflossen ist, durch zarte Querschnitte aufgehellt
und so eine diskrete Kombination mit dem Tonschnitt her-
gestellt hat. Rethels Handschrift ist im Holzschnitt Bange-
manns in einer wunderbaren Weise erhalten. Es ist die Hand-
schrift des Rethel kurz vor dem Zusammenbruch. Mancher
Beurteiler hat darin schon Verfall sehen wollen. In Wahr-
heit war Rethels Form nie größer als in diesen Jahren.
Besseres als die Gruppe links oben ist in Deutschland im
neunzehnten Jahrhundert kaum je gezeichnet worden. Hier
ist ein Stil, der natürlich aus einer großen Persönlich-
keit emporgewachsen ist und vor dem der heftige Stilwille
eines Feuerbach sowohl wie eines Hodler weit zurück-
stehen muß. Dieser späten, schönen Realisierung einer Re-
thelschen Absicht können wir uns ohne Einschränkung
freuen. Der Holzschnitt Bangemanns sollte in keiner deut-
schen Schule fehlen; denn Stoff und Form haben hier ein-
mal gleicherweise den großen Zug.

K. Seh.

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