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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 23.1925

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Heft 9
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NEUE BÜCHER



Hubert und Jan van Eyck — August Schmarsow.
Leipzig, K. W. Hiersemann, 1924.

Auf die Fragen, die der Genter Altar stellt, gibt es fast
ebenso viele Antworten wie Kunstgelehrte, die sich dazu
geäußert haben. Wer, Hubert oder Jan van Eyck, hat den
Altar geschaffen? Welche Teile gehören dem einen, welche
dem anderen Bruder? In welchem Verhältnis stehen Hubert
und Jan zueinander? Jan van Eyck ist uns aus den Tafel-
bildern, die er signiert und allein ausgeführt hat, eine ver-
traute Persönlichkeit. Ergibt sich aus der Prüfung des Genter
Altars eine zweite Persönlichkeit, nämlich die Huberts, und
können ihr aus dem Bestand unsignierter Gemälde Eyck-
schen Stils irgendwelche Tafeln zugeschrieben werden? In ein-
gehender, kenntnisreicher Darlegung, im Ton unerschütter-
licher Sicherheit, gibt Schmarsow seine Antwort.

Ich berichte über das Ergebnis. Hubert ist der Schöpfer
des Genter Altares, der ältere, größere, geistig überlegene.
Er hat das Werk, dessen Einheitlichkeit, Monumentalität
und Tiefsinn gepriesen werden, fast bis zu Ende ausgeführt.
Jan hat einiges hinzugefügt, zumal die Figuren Adam und
Eva, die aus der Formenharmonie und dem ikonographi-
schen Zusammenhang herausfallen, ferner Stillebenartiges
in der Verkündigung Maria, vielleicht auch landschaftliche
Einzelheiten in der unteren Reihe der Innenseite. Jan ist
der „Naturalist", der am Modelle klebt.

Der Genter Altar bietet Gelegenheit zu ernster und tief-
sinniger Interpretation. Schmarsow schafft geistige Zusam-
menhänge zwischen den Bildtafeln, indem er nicht nur — in
gewohnter Art — zwei Erscheinungsformen in Betracht
zieht, nämlich den ganz offenen und den völlig geschlosse-
nen Altar, sondern auch noch andere Kombinationen. Das
Werk besteht aus zwei Stockwerken und nach einer Über-
lieferung, der Schmarsow Glauben schenkt, aus einer Pre-
della mit der Hölle oder dem Fegefeuer. Die Flügel be-
stehen aus zwei Tafeln nebeneinander, die möglicherweise
durch Scharniere miteinander verbunden und gegeneinander
verstellbar waren. Schmarsow versucht nun alle Möglich-
keiten, indem er z. B. die obere Reihe ganz aufklappt, die
untere aber geschlossen läßt.

Dem Meister Hubert, der im Gegensatz zu seinem jünge-
ren Bruder im Sinne der mittelalterlichen Kompositions-
gesetze „gegliederte Einheit" zu erschaffen vermochte, wird
nun aus dem Bestände der unsignierten Eyck-Bilder zuge-
wiesen: der „Brunnen des Lebens" in Madrid oder viel-
mehr das verschollene Original dieser Tafel, ferner der
„Mann mit den Nelken" und — nicht ohne Zweifel — das
Männerporträt in Hermannstadt. Sonst nichts. Die Flügel
in Petersburg, die Frauen am Grabe in Richmond, sowie
die diesen Tafeln stilistisch nahe stehenden Bilder bleiben
dem jüngeren Bruder. Bei ziemlich unentschiedenem Ur-
teil über die Turin-Mailänder Miniaturen scheint Schmarsow
mit Hulin die beste Gruppe, also die des „Reiterzugs", für
ein Werk Huberts zu halten. Diese Miniaturen passen nicht
so recht zu der Vorstellung, die Schmarsow in bezug auf
seinen Hauptmeister aus dem Genter Altar abgeleitet hat.
Seltsam ist das scharf formulierte Argument, Jan könnte die

um 1415 entstandenen Miniaturen nicht gemalt haben, er wäre
damals zu jung gewesen. Kennen wir denn sein Geburtsjahr?
In den Katalogen steht: um 1390. Haben wir irgendwelchen
Grund, ein wesentlich späteres Datum anzunehmen?

Meine Ansicht will ich bei dieser Gelegenheit nicht ver-
teidigen. Sie ist im ersten Bande meiner „Altniederländi-
schen Malerei" zu finden. Miteinander einig sind fast alle
„Kenner" darüber, daß die Miniaturen, die Schmarsow —
mit Hulin u. a. — dem Meister Hubert gibt, mit dem Flügel-
paar in Petersburg eng verwandt sind und der Gruppe von
Tafelbildern, die zu diesem Flügelpaar gehört. Nur Schmar-
sow zieht die Teilungslinie zwischen diesen Tafelbildern
und den Buchmalereien.

Die Stifterbildnisse im Genter Altar sind für Schmarsow
Huberts Werk und danach fällt diesem Meister der „Mann
mit den Nelken" zu. Meiner Ansicht nach steht der Alber-
gati in Wien, den Schmarsow dem jüngeren Bruder läßt,
dem Stifterbildnis des Genter Altares weit näher als der
„Mann mit den Nelken".

Befriedigend ist Schmarsows Lösung nicht, sie ist nicht
einmal konsequent, weit weniger konsequent als diejenige
Dvofaks oder Hulins.

Wie ein Advokat, der nur die seiner Sache günstigen
Zeugnisse berücksichtigt, zitiert Schmarsow weder Dvofaks
noch Hulins Aufstellungen, ruft dagegen mehrfach Post an,
weil die auf Grund des Kostüms von diesem Gelehrten
vorgeschlagenen Zeitansetzungen ihm willkommen sind.

Da die Eyck-Debatte einer allgemeinen Blamage der
Stilkritik verzweifelt ähnlich sieht, kompromittiert der ein-
zelne sich nicht arg, wenn er sich erfolglos an dem Spiele
beteiligt. Überdies enthält Schmarsows Text viel Wertvolles
an kenntnisreicher Deutung namentlich in bezug auf den
Genter Altar. Max J. Friedländer.

Raffael von Wilhelm Stein. Berlin, Georg Bondi, 1923.

Romantiker haben uns von jeher näher an Raphael heran-
geführt, als Klassizisten oder exakte Kritiker. Das Herzens-
verhältnis zu ihm ging nicht von Akademie und Wissenschaft,
sondern vom jugendlichen Drang der Nazarener aus. Unser
bestes Buch über ihn, die Biographie des alten Passavant, war
von Liebe, Anschauung, Urteil, Stilgefühl gleicherweise dik-
tiert und wurde so für Generationen zum sichersten Leiter.
Alle Kritik an seinen Jugend- und Spätarbeiten, alle Aufteilung
der unter seinem Namen gehenden Werke an Lehrer, Mit-
schüler, Gehilfen hat nur von ihm fortgeführt. Das ergibt
sich als das eine Fazit der kritisch-ästhetischen Periode unserer
Wissenschaft. Und das andere ist: man fühlt sich nun dadurch
ketzerisch genug, um zu fragen, was denn die Wissenschaft
überhaupt mit diesem Künstler zu tun habe, der doch nicht
für Forschung und Kritik und formale Analyse gemalt hat,
mit diesem Menschen, der in höchst persönlicher Entwick-
lung das Ideal einer ganzen hochstrebenden Epoche ver-
wirklichte und der dadurch, daß er sich aussprach und durch
sein Wirken Teil an seinem Innenleben nehmen lassen konnte,
zu den großen seltenen Beglückern der Menschheit gewor-
den ist.

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