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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 1
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Scheffler, Karl: Fünfzig Jahre französischer Malerei, 1875-1925: Ausstellung im musée des Arts décoratifs in Paris
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Münchner Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0053

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gehender Wille. Er ist den Genossen verwandt und doch
ein ganz anderer. Auch in dieser Ausstellung wußte er
den Betrachter zu erschüttern. Vor allem mit den großen
blauen „Baigneuses". Wie ein steiles Wunder ragt diese
Komposition über die Umgebung hinaus. Die selbst-
gestellte Aufgabe ist nicht gelöst; selbst das Unvollkom-
mene darin jedoch ist enorm. Drohend süß ist der volle
Zweiklang von Blau und Olive in dem „Knaben mit dem
Totenkopf". Und die Landschaft von 1887 malt nicht nur
mit nie vorher gesehenen Mitteln den Raum, sondern auch
alle Geheimnisse und Rätsel des Raums.

Es waren auch viele schöne Bilder in der Ausstellung,
von Sisley, van Gogh, Toulouse-Lautrec, Daubigny, Gauguin,
Pissarro und anderen. Sie aufzuzählen ist für den Leser
keine Förderung. Es sollte nur dieses gesagt werden: eine
solche Ausstellung hart neben den unermeßlichen Samm-
lungen des Louvre — das ist nur in Paris, ist nur ein-
mal in der Welt möglich 1 Die Zeitspanne von 1875 —1925
war ja nicht genau eingehalten. Doch kommt es darauf
nicht an. Es kommt darauf an, daß Gelegenheiten geschaffen
werden, schöne Bilder zu zeigen. Die Gunst sie sehen zu
dürfen, gehört dann zu den Glücksfällen des Lebens.

MÜNCHNER AUSSTELLUNGEN

ie eindruckvollste unter den Kollektivaus-
stellungen , die man während der letzten
Monate bei den Kunsthändlern sah, war
vielleicht die zum Gedächtnis des vor zehn
Jahren gefallenen Albert Weisgerber in der
Modernen Galerie Thannhauser. Nicht nur,
daß uns wieder einmal zum Bewußtsein gebracht wurde, daß
Weisgerber keinen gleichwertigen Nachfolger hinterlassen hat,
sondern man sah aufs neue, wie dieser Maler in zäher, unab-
lässiger Arbeit seine Kunst zu entwickeln versucht hat. Es ist
neuerdings gerade aus dem Kreis jener Künstler, die Weiß-
gerber nahe standen, der Kritik der Vorwurf gemacht worden,
sie verlange zu sehr von jeder Jahresausstellung, daß sie völlig
Neues, entscheidende Fortschritte bei Gruppen und einzelnen
Künstlern zeige. Dieser Vorwurf ist nicht nur eine schlechte
Verteidigung an und für sich, sondern wurde gerade durch
die Weisgerber-Ausstellung ad absurdum geführt. Um bei
den Mitgliedern der Neuen Sezession zu bleiben, sei der
Ausstellung von Werken Oskar Cösters, gleichfalls in der
Modernen Galerie, gedacht, mit der sich der Maler mehr
als je in die vorderste Reihe dieser Münchner Gruppe stellte.
Es bleibt freilich zu bedauern, daß Cöster sich in jüngster
Zeit nicht zu einem vollkommen abgerundeten Bild auf-
raffen kann. Aber das allzu Krankhafte in den früheren
Arbeiten des Malers, das wir stets kritisiert haben, ist mehr
und mehr geschwunden, vor allem hat es seine unange-
nehmen Begleiterscheinungen verloren. Die kleinen Natur-
studien sind von einer ganz außerordentlichen Konzentration.
Die Farbe besitzt nicht nur eine starke Leuchtkraft, sondern
eine eigentümliche Lichtkraft. J. W. Schülein gab bei Caspari
neue Proben seines liebenswürdigen, dekorativen Talents.

Wie verzweifelt schlecht es mit dem jungen Nachwuchs
steht, bezeugt die Tatsache, daß die allezeit wagemutige

Galerie Goltz uns keine neuen Kräfte vorzuführen vermag.
Und die großen Jahresausstellungen geben einen nicht minder
trüben Aspekt. Die große Schau im Glaspalast hat nicht
sonderlich viel dadurch gewonnen, daß nach langen Jahren
zum erstenmal wieder eine Reihe von Berliner Künstlern
in der Sezession ausgestellt haben. Die besten Werke der
Berliner Gäste sind älteren Datums. Unter den jüngeren
Gästen fesseln am meisten die Arbeiten von Partikel: eine
koloristisch reizvolle, aber keineswegs "große Kunst. Die
Neue Sezession hatte zunächst eine Karl-Haider-Gedächtnis-
Ausstellung veranstaltet, wohl aus der Idee heraus, daß bei
dem Streben nach der „neuen Sachlichkeit" Haiders Werk
uns in einem neuen Licht erscheinen und die Künstler aus
allzu großer Nüchternheit zu einer poetischeren Auffassung
ihres heimlichen Neuakademismus führen könnte. Jeden-
falls offenbarte diese Ausstellung aufs neue, welch originale
naturgewachsene Erscheinung der Maler Haider gewesen ist,
sehr zum Unterschied von jenen krampfigen Neunazarenern
und falschen Biedermeiermalern. Auf der Sommerausstel-
lung der Neuen Sezession war Caspars winterliches Holz-
fällerbild eine der besten Leistungen. Der Künstler scheint
die Enge und Starrheit der letzten Jahre allmählich über-
winden zu wollen. Die Arbeiten der Frau Caspar-Filser
verrieten allzu sehr den Eindruck der Werke Corinths, die
vergangenes Jahr in München ausgestellt waren. Wir ge-
stehen offen, daß wir den älteren, schön und kraftvoll ge-
malten Arbeiten der Künstlerin, mit ihrer dekorativen Farben-
pracht vor diesen neueren Schöpfungen den Vorzug geben.
Unold scheint nach den mannigfachen Irrgängen der letzten
Jahre zu seinem Ausgangspunkt zurückzukehren, aber doch
bereichert und reif geworden durch all jene Experimente,
die wir stets bedauert haben.

A. L. M.

Eine archaische Göttin. Zum zweitenmal bietet
sich der Berliner Antikensammlung die Gelegenheit, ein
Meisterwerk archaisch-griechischer Kunst zu erwerben. Das
feierliche Kultbild einer stehenden Göttin, eine Schöpfung
früh-archaischer Kunst, vermutlich wenig nach dem Jahre
600 vor Christi Geburt entstanden, soll sich zu jenem anderen
Meisterwerk einer thronenden Göttin aus reif-archaischer
Zeit gesellen, das vor einem Jahrzehnt in den Besitz des

Berliner Museums gelangte. Die neue Statue erscheint noch
bedeutender als jene andere, einzigartig unter allen bisher
bekannten Schöpfungen frühgriechischer Bildnerkunst, ebenso
hervorragend als Kunstwerk wie wundervoll in der Erhal-
tung. Man darf hoffen, daß die Erwerbung gelingt: Nach
den sechs Zeichnungen Grünewalds wäre dies ein neuer,
kaum minder großartiger Zuwachs der Berliner Kunst-
sammlungen.

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