DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:Behrendt, Walter Curt: Aus dem Tagebuch einer Amerikareise, [3]: Kulturlandschaft
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0122
GEORG KOLBE, KLEINBRONZEN. 1925
AUSGESTELLT BEI PAUL CASSIRER. BERLIN
AUS DEM TAGEBUCH EINER AMERIKAREISE
VON
WALTER CURT BEHRENDT
III: Kulturlandschaft
Hackettstown N.J., Twelve Opossum Farm.
27. April. Am dritten Tag ergriff ich die Flucht.
Niedergeschlagen von so viel erbarmungsloser Häß-
lichkeit, floh ich aufs Land, der Weekend-Einladung
eines Freundes folgend, der ein paar Stunden von
New York entfernt eine kleine Farm bewohnt, ab-
seits des großen Verkehrsstromes, inmitten einer
lieblichen Landschaft gelegen. Das einfache weiß-
gestrichene Holzhaus in den zierlich proportionier-
ten Formen des Kolonialstils, von hohen alten Bäu-
men umschattet, steht an einem grünen, sanft ab-
fallenden Hang, in dessen Tal ein flinkes, klares
Bachwasser durchs blühende Gehölz rinnt: ein
stiller, geruhsamer Ort, geschaffen zu beschaulicher
Ausrast nach dem mörderischen Betrieb und dem
Augen- und Seelenaffront der teuflischen Großstadt.
Hier freuten wir uns des werdenden Frühlings und
der sich verjüngenden Natur, betrachteten andäch-
tig die aufsprießende Saat des trächtigen Bodens
und sprachen lang und besinnlich über die neue
Sendung, die auf der Menschheit lastet, seit sie
sich mehr und mehr dem Boden entfremdet hat...
Am andern Morgen holten wir die Maschine
aus der Garage — das Automobil ist hierzulande,
dank der verbilligten Produktion, auf dem Wege,
ein integrierendes Inventarstück jedes, auch des
Arbeiterhaushalts zu werden —, bestiegen den klei-
nen Wagen und fuhren gemächlich über Land, um
ein Stück amerikanischer Kulturlandschaft zu sehen.
Es war Sonntag, und nach allen Richtungen ent-
faltete sich der lebhafte Automobilkorso des Aus-
flugverkehrs auf den breiten Betonstraßen. In ge-
radem Zug führen Meilen und Meilen dieser be-
tonierten und asphaltierten Autostraßen durchs
Land, hart und erbarmungslos zerreißt ihre kahle
Fahrbahn die Landschaft, messerscharf durch-
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AUSGESTELLT BEI PAUL CASSIRER. BERLIN
AUS DEM TAGEBUCH EINER AMERIKAREISE
VON
WALTER CURT BEHRENDT
III: Kulturlandschaft
Hackettstown N.J., Twelve Opossum Farm.
27. April. Am dritten Tag ergriff ich die Flucht.
Niedergeschlagen von so viel erbarmungsloser Häß-
lichkeit, floh ich aufs Land, der Weekend-Einladung
eines Freundes folgend, der ein paar Stunden von
New York entfernt eine kleine Farm bewohnt, ab-
seits des großen Verkehrsstromes, inmitten einer
lieblichen Landschaft gelegen. Das einfache weiß-
gestrichene Holzhaus in den zierlich proportionier-
ten Formen des Kolonialstils, von hohen alten Bäu-
men umschattet, steht an einem grünen, sanft ab-
fallenden Hang, in dessen Tal ein flinkes, klares
Bachwasser durchs blühende Gehölz rinnt: ein
stiller, geruhsamer Ort, geschaffen zu beschaulicher
Ausrast nach dem mörderischen Betrieb und dem
Augen- und Seelenaffront der teuflischen Großstadt.
Hier freuten wir uns des werdenden Frühlings und
der sich verjüngenden Natur, betrachteten andäch-
tig die aufsprießende Saat des trächtigen Bodens
und sprachen lang und besinnlich über die neue
Sendung, die auf der Menschheit lastet, seit sie
sich mehr und mehr dem Boden entfremdet hat...
Am andern Morgen holten wir die Maschine
aus der Garage — das Automobil ist hierzulande,
dank der verbilligten Produktion, auf dem Wege,
ein integrierendes Inventarstück jedes, auch des
Arbeiterhaushalts zu werden —, bestiegen den klei-
nen Wagen und fuhren gemächlich über Land, um
ein Stück amerikanischer Kulturlandschaft zu sehen.
Es war Sonntag, und nach allen Richtungen ent-
faltete sich der lebhafte Automobilkorso des Aus-
flugverkehrs auf den breiten Betonstraßen. In ge-
radem Zug führen Meilen und Meilen dieser be-
tonierten und asphaltierten Autostraßen durchs
Land, hart und erbarmungslos zerreißt ihre kahle
Fahrbahn die Landschaft, messerscharf durch-
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