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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 5
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Faschingschronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0230

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Protest der Modelle. Ort der Handlung: Das Zimmer
eines Geheimrats im Kultusministerium. Personen: Der Ge-
heimrat, ein breitschultriger Mann in feldgrauer Jacke und
eine Dame mit verwegenem Hur.

Sprecher: Der Mann in feldgrauer Jacke.

„Herr Geheimrat, mit die hohe Kunst ist's Essig: wir
streiken! Ick vertrete die männlichen Modelle und (mit dem
Daumen über die Schulter deutend) det Fräulein vertritt die
weiblichen. Wir protestieren gegen die Modellsätze bei der
Hochschule. Bei die Preise können wir unsern Körper nich
mehr pflejen. Wenn ick nich im Nebenamt Schwimmlehrer
wäre und det Fräulein, wo ohne Beruf ist . . . na, Sie va-
stehen schon — ick wüßte nich, wie ick die Seefe bezahlen
sollte. Sehn Se mal, Herr Geheimrat, ist det menschen-
würdig? Bis zum Hals vor fuffzig Pfennig, bis zum Bauch
vor fünfundsiebzig, und bis unten vor eene Mark und fünf-
undzwanzig! Wenn ick streike, können die Herren Kunst-
professoren ufPm Parnaß Bleistifte spitzen. Und überhaupt
und so! Det schlimmste aber is die Moral bei der Hoch-
schule. Kommen Se mal Montag oder Donnerstag früh uff'n
Modellmarcht! Dakommen dieLebejreise aus Berlin W.W. und
kieken sich die Mächens an und dann woll'n se se noch vor ne

Mark und fünfundzwanzig haben. Det ist Unmoral: wir
streiken!

Staatliche Künstlerhilfe. Der Reichswirtschafts-
verband bildender Künstler veröffentlicht die folgenden Richt-
linien, die zugleich den Regierungen der Länder als Grundlage
gesetzlicher Verordnungen zugestellt worden sind:

„Kunstpflege heißt Künstlerhilfe. Ohne lebende Künstler
keine lebende Kunst. Darum fort mit den Museen. Ihre Räume
werden als Ateliers und Werkstätten nutzbar gemacht. Ihre Be-
stände werden veräußert. Der Erlös dient als materielle Grund-
lage einer großzügigen Künstlerunterstützung. Ansprach auf
lebenslängliche Versorgung hat jedes eingeschriebene Mitglied
eines der dem Reichswirtschaftsverband angeschlossenen
Künstlervereine. Der Versorgungssatz ist dem Gehalt der Mini-
sterialräte gleichzusetzen. Das Dienstalter ist nach dem Datum
des Eintritts in eine Künstlervereinigung zu berechnen. Pflich-
ten irgendwelcher Art erwachsen den Versorgungsberechtig-
ten nicht. Eine Pflicht erfüllt lediglich der Staat, indem er
sich seiner vornehmsten Kulturaufgabe bewußt wird."

Wir zweifeln nicht, daß diese wohlberechtigten Forde-
rungen der deutschen Künstlerschaft die allgemeine Billigung
finden werden.

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