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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 7
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Faber du Faur, Hans von: Erinnerungen an Maler, [2]: Diez und die Diezschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0304

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HONORE DAUMIER, RICHTER BEI DER VERHANDLUNG. AQUARELL

AUSGESTELLT IN DER GALERIK MATTH1ESKN, BERLIN

ERINNERUNGEN AN MALER

VON

HANS VON FABER DU FAUR

II: Diez und die Diezschule

Vom Herbst 1889 bis Dezember 1891 war ich in
der Malschule bei Wilhelm von Diez. Er
hatte eine ganz seltene Gabe, das Verhältnis zwi-
schen Lehrer und Schüler ohne Rücksicht auf den
Altersunterschied zu einem wahrhaft freundschaft-
lichen zu gestalten, ohne daß je die Autorität darunter
gelitten hätte. Die rückhaltlose, volle Hingabe an
seine Lehrtätigkeit, an der er mit ganzem Herzen
hing, seine eigene künstlerische Tätigkeit, in ihrer
weisen Selbstbeschränkung, sicher und unbeirrt
gegenüber allen künstlerischen Modeströmungen
des Tages und vor allem sein seltener Charakter,
der unter knorrigem, rauhem Äußeren eine un-
gewöhnliche Herzensgüte und Gutmütigkeit mit
feinstem Humor barg, gewannen ihm alle Herzen.
Eine ähnliche Gabe, in geradezu genialer Weise
die Jugend mit der für ihre Unreife erforderlichen
Nachsicht zu behandeln, habe ich nur einmal sonst
in dem Maß kennen gelernt wie bei Diez.

Es war am Maxgymnasium; wir hatten einen
allgemein beliebten Mathematikprofessor Müller.

Eines Vormittags dozierte er ernsthaft vom Kathe-
der aus. Wir saßen immer zu zweien auf einer
Bank. An diesem Morgen nun plagte meinen Nach-
bar und mich irgendein böser Dämon der Jugend-
dummheit; wir kälberten, lachten und ulkten in
einem fort, so daß die ganze Klasse aufmerksam
wurde. Ich glaube, wir kamen uns sehr kühn vor,
daß wir es wagten, in unserem Ubermut dem Kar-
zer, Hausarrest und was sonst drohen mochte,
Trotz zu bieten. Die allgemeine Spannung war
groß. Da kletterte der bejahrte Herr, der öfters
an Podagra litt, bedächtig von seinem Thron her-
unter, ging ans Fenster, sah nach dem trüben
Himmel, der über der Ludwigstraße hing, schüt-
telte den Kopf und meinte: „Merkwürdig, man
sagt doch immer, wenn zwei Esel scherzen, gibt
es schönes Wetter." Darauf schallendes Gelächter
der Klasse und wir — waren die Blamierten .

Einem sehr jungen Malschüler war dies nüch-
terne Naturabmalen zu langweilig geworden, er
wollte etwas Modernes machen und hatte sehr frei

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