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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 8
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Berliner Auktionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0365

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BERLINER AUKTIONEN

Die schon vor zwei Jahren erfolgte Auseinandersetzung
zwischen dem Königshaus und dem Freistaat Sachsen
hat insofern ein erfreuliches Ergebnis gezeitigt, als die ehe-
mals königlichen Kunstsammlungen im wesentlichen unver-
mindert in das Eigentum des Staates übergegangen sind.
Der dem Hause Wettin verbliebene Kunstbesitz soll in dem
Schlosse Moritzburg untergebracht und dort ebenfalls der
Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Eine Reihe ent-
behrlich scheinender Gegenstände wurde am 23. März bei
Paul Cassirer in Berlin versteigert. Es handelte sich in der
Hauptsache um Porzellan, das zum Teil aus dem Johanneuni,
zum Teil aus einem Gräflich Brühischen Landsitz stammte,
um ein Material also von einwandfrei bester Provenienz, da
die Johanneum-Marke eine absolute Garantie für die Da-
tierung chinesischen Porzellans in die K'ang-hsi- oder Yung
Cheng-Zeit bietet. War die Auktion in ihren Beständen
auch nicht mit den großen Dubletten-Versteigerungen zu ver-
gleichen, die von den Dresdener Museen vor sechs Jahren
bei Lepke veranstaltet wurden, so hat sie doch einen wert-
vollen Nachtrag zu diesen denkwürdigen Verkäufen und
rechtfertigte das Interesse, das ihr von Sammlerkreisen ent-
gegengebracht wurde.

Es ist in Anbetracht der immer noch schwierigen Lage
des deutschen Kunstmarktes als ein Erfolg zu buchen, wenn
mit wenigen Ausnahmen die etwa vierhundert Nummern
zählende Porzellansammlung zu angemessenen Preisen Käufer
fand, wenn Hauptstücke wie die zwei großen Dragonervasen,
die allerdings ins Ausland gingen, 12 000 Mark, der Satz von
fünf Augustus Rex-Vasen sogar 23000 Mark brachten. Unter
dem Japanporzellan ragten drei komplette Kamingarnituren,
aus je drei Deckelvasen und zwei Stangenvasen bestehend,
hervor, die mit 2000, 2500 und 3700 Mark bewertet wur-
den. Die Reihe der Chinaporzellane setzte ein mit einigen
sehr schönen Deckelvasen, die zwischen 500 und 900 Mark
kosteten. Zwei Wandbrunnen brachten fast 5000 Mark, ein
besonders kostbarer großer Teller mit einer stilisierten Chry-
santhemumblüte im Mittelfeld und blaugespritzten Grund mit
Goldmalerei wurde mit 5300 Mark zugeschlagen. Zwei Trank-
opferbecher in Email sur biscuit kosteten 2000 Mark.

Nicht sehr teuer waren die italienischen Majoliken. Zwei
gute Albarelli aus Faenza mit Heiligenfiguren in Blattorna-
ment bemalt, wurden mit 1050 Mark bezahlt, ein Urbino-
Teller mit Pyramus und Thisbe, 1557 datiert, mit 380 Mark,
ein zweiter Teller, ebenfalls Urbino, aus dem Jahre 1545
mit 810 Mark. Den höchsten Preis erzielte eine gebuckelte
Schale aus Faenza mit einem Frauenbildnis in der Mitte, die
1060 Mark kostete.

Unter dem Meißener Porzellan aus Gräflich Brühlschem
Besitz ragten die fünf Augustus Rex-Vasen, die bereits er-
wähnt wurden, weit hervor. Zwei andere Augustus Rex-
Vasen mit blaßgelbem Fond fanden keinen Käufer, zwei
ebenfalls gelbgrundige Deckelflaschen brachten 3800 Mark,
vier plastisch reichverzierte, weißglasierte Vasen kosteten
1675, 2410 und ein Paar 6810 Mark.

Von den Gemälden interessierte am meisten das Bildnis
Goethes, von J. F. A. Darbes 1787 in Karlsbad gemalt. Das
Weimarer Goethe-Haus erwarb es um 7100 Mark. Im übrigen
war das Bildermaterial nicht bedeutend genug, um stärkere
Teilnahme zu wecken. Drei Bildnisse von Desmarees waren
verhältnismäßig schwach und wurden mit wenig mehr als je
400 Mark zugeschlagen. Von fünf Bildern des Dresdener
Dietrich fanden nur zwei mit 510 und 560 Mark Käufer.
Landschaften von Johann Alexander Thiele kosteten 800
bis 1000 Mark. Relativ am besten bezahlt wurde ein Mädchen-
kopf von Greuze mit 6300 Mark.

Recht gut waren auch die Preise, die für die Blätter einer
im Anschluß versteigerten kleinen Sammlung von Zeich-
nungen Menzels und Ludwig Richters angelegt wurden.
3200 Mark für den Kopf eines alten Mannes von Menzel
aus dem Jahre 1894 war ein außerordentlich hohes Gebot.
Eine Gouasche mit Darstellung eines Kircheninneren erzielte
3450 Mark, eine frühe Zeichnung der Klosterkirche in
Berlin 1700, eine Zeichnung zu Kleists Zerbrochenem Krug
1210 Mark. Die Blätter von Ludwig Richter waren mit
300 bis 500 Mark ebenfalls hoch bewertet, ein Aquarell
„Fischer im Kahn" kostete 1020 Mark, eine Zeichnung von
Thoma aus dem Jahre 1870 500 Mark.

Endlich wurde eine Reihe orientalischer Teppiche ver-
steigert, von deren drei Hauptstücken allerdings nur einer,
ein großer Uschok, für 10000 Mark einen Käufer fand, wäh-
rend ein schöner Isfahan und ein großer anatolischer Tep-
pich mit gelben Arabesken auf rotem Grunde, die zu hoch
limitiert waren, zurückgezogen werden mußten. Ein kleinerer
Teppich des gleichen Typus brachte 2000 Mark. Von den
übrigen Stücken war das wertvollste ein persischer Teppich
des späten siebzehnten Jahrhunderts, der 8000 Mark kostete.
Zwei kleinasiatische Gebetteppiche wurden mit 2610 und
2500 Mark gut bezahlt, ein schönes Isfahan-Fragment mit
4300 Mark ebenfalls recht hoch bewertet. Ein später Khorosan-
Teppich kostete 6500 Mark. Gute Gebrauchsteppiche waren
um 500—1000 Mark zu haben.

Am gleichen Tage wie die Auktion bei Cassirer fand bei
Lepke eine Versteigerung von Gemälden alter Meister statt,
deren Ergebnis in Anbetracht des wenig bedeutenden Ma-
terials ebenfalls als ein Zeichen für die beginnende Wieder-
belebung des deutschen Kunstmarktes genommen werden
darf. Ein bezeichnetes Frauenportrait des Terborch, das den
Sammlungen Wesendonck und v. Bissing gehört hatte, brachte
8000 Mark, ein großes Frühstücksstilleben von Heda 3100M.,
Aerts de Gelders Kampf Jakobs mit dem Engel 3900 Mark,
ein mit vier Gutachten versehener Jan Steen 3300, ein eben-
falls durch zwei Gutachten gesicherter Adrian van Ostade
3000 Mark. Eine Ceres, die Dr. Binder als Rubens attestiert
hat, einstmals in der Hamburger Sammlung Emden, wurde
mit 5000 Mark zugeschlagen. Im ganzen 110000 Mark für
die etwa 200 Nummern des Kataloges war ein immerhin
ansehnliches Ergebnis.

—r.

VIERUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, ACHTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 20. APRIL. AUSGABE AM 1. MAI NEUN-
ZEHNHUNDERTSECHSUNDZWANZIG. REDAKTION KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER, BERLIN
GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER, G.M.B.H., LEIPZIG
 
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