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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 9
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Scheffler, Karl: Vergleichende Kunstanschauung in der Frühjahrsausstellung der Akademie der Künste
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0369

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EDOUARD MANET, BILDNIS DES SANGERS RUBINI

Zur Stelle sind Bilder von Krüger, Menzel,
Leibi, Marees, Rayski, Thoma und Trübner, Bilder
von Goya, Courbet, Daumier, Cezanne, Manet,
Degas, Renoir und Lautrec. Bedauerlich ist, daß
Liebermann nicht vertreten ist, obwohl diese Zu-
rückhaltung des Präsidenten menschlich verständ-
lich ist. Sein „Altmännerhaus" hängt in derselben
Berliner Galerie, die eine der wenigen deutschen
Privatsammlungen moderner Kunst großen Stils
ist und die von ihrem Besten für diese Ausstellung
freigiebig hergeliehen hat. Dieses Bild Liebermanns
— oder ein anderes Frühwerk — in solcher Um-
gebung zu sehen, wäre sehr aufschlußreich ge-
wesen. Unter anderm, um festzustellen, ob Lieber-
manns Kunst imstande ist, den grundsätzlich be-
stehenden, in diesem Saal stark verdeutlichten
Unterschied und die ebenfalls deutlich in Er-

scheinung tretende Verwandt-
schaft zwischen deutscher und
französischer Kunst charakte-
ristisch zu verändern. Nur im
unmittelbaren Vergleich läßt
sich dergleichen entscheiden.
Unwillkürlich fällt einem eine
Stelle aus Lichtwarks Briefen
ein. Er erzählt von der Manet-
AusstellungderSammlungFaure
im Oktober 1906 bei Paul Cas-
sirer und berichtet dann wört-
lich: „Letzten Sonntag, als das
Publikum fort war, hat Lieber-
mann seine Bilder zwischen die
von Manet gehängt, um ein-
mal eine große Abrechnung
mit sich zu halten. Er sagte
mir, seine Bilder hätten nicht
gut und nicht schlecht ausge-
sehen, aber ganz anders."

In dem Mittelsaal der Aka-
demie hängt eines der schön-
sten Bilder Leibis, die Gräfin
Treuberg der HamburgerKunst-
halle — vielleicht ist es Leibis
Bestes, da es unvollendet ge-
blieben, nicht peinlich fertig
gemalt und darum freier als
alles andere geblieben ist —
neben dem Brustbild einer Frau
mit Spiegel von Courbet. Die
innere Verwandtschaft ist mit einem Blick erkenn-
bar; doch wird es auch deutlich, wie verschieden
hier und dort die Grade der künstlerischen Sinn-
lichkeit sind. Leibis Bild ist herrlich, erscheint
jedoch ein wenig dünn und zart, neben der
kräftig blühenden Malerei Courbets. Dieser drückt
überhaupt zumeist von allen mit seiner alt-
meisterlich gesunden, durch und durch reifen
Malerei auf die Deutschen. Gegenüber hängt
Leibis Bildnis der jungen Frau Gedon zwischen
Arbeiten von Menzel. Es fällt auf, wie gut sich
der Süddeutsche mit dem Norddeutschen verträgt
■— wenn Franzosen zugegen sind. Leibis „Dorf-
politiker" hatten wir als ein etwas genrehaftes
Bild im Gedächtnis; doch gewinnt es beim Wieder-
sehen viel neues Leben hinzu. Leibi dominiert
überhaupt unter den Deutschen, um so mehr als

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