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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 9
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0405
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Kunst") flourished because they feil into the hands of people
who had already learned how to paint."

Otto Kümmel.

Wiener Szenische Kunst. Das Bühnenkostüm. Von
Joseph Gregor. Amalthea-Verlag.

Ein Buch mit 250 Bildern, davon 25 farbig, wird heute
immer als ein Zeugnis für Verleger-Heroismus auffallen.
Wenn es gar von der Wiener National-Bibliothek seinen
Ausgang nimmt und uns von deren Reichtum etwas zu
kosten gibt, so haben wir schon von vornherein für das Ma-
terial mit Dank zu quittieren. Denn diese Sammlung ist
nicht mehr und nicht weniger, als die alte k. k. Hofbiblio-
thek, das vornehme Sammelbecken so vieler Zeugnisse von
dynastischen Beziehungen, die, weitverzweigt ohnegleichen,
über Zeiten und Länder, Jahrhunderte und Weltteile sich
spannten. Kein Wunder, wenn das, was sich in diesen
Fäden verfing, für sich wieder ein Weltbild bietet. Wo der
emsige Vorsteher dieser Sammlung durch die ihm überant-
worteten Schätze einen seiner Schnitte legt, zeichnet sich
ein Stück menschlicher Kultur in bunten Dokumenten ab:
Bühnenkostüm ist eine unendlich vieldeutige, symbolische,
phantastische Angelegenheit, es kann verführerisch und be-
zaubernd, aber auch namenlos kitschig sein; in dem launi-
schen Element des Theaters tummeln sich Helden und
Narren, schleppen Kleider und schnellen Sprünge, herrscht
das Gefühl für Größe und das Streben nach „Richtigkeit",
das im Theater das Theater selbst aufhebt. Und alles, was
in Hunderten von Jahren auf diesem Gebiet geleistet und
gesündigt wurde, hat seinen papierenen Niederschlag in den
Portfolios und Bänden der Habsburgischen Hofbibliothek
gefunden, nicht eingesargt, sondern immer wieder vom un-
sterblichen Wiener Theaterinstinkt verstanden, ihn belebend,
befruchtend oder verwirrend.

In diesem Buch wird der ganze Fundus wienerischer
Bühnentracht an uns vorübergetragen: voran tosen dem
phantastischen Zug griechische Komödientypen und Thyasos-
tänzer, bis dann mit Narren, Schönbartläufern und Pritschen-
meistern die eigentlichen Gruppen einsetzen, in denen der
neuere Mensch sich durch Verkleidung vom Alltag löst. Von
den Zeiten des Kaisers Max, der aus seinen jugendlichen
Burgundertagen die Freude an Maskenzügen und symbolisch
eingekleideten Turnieren bewahrt hatte, bis in die große
italisch-österreichische Barockzeit des Theaters ziehen, wallen,
tollen, tanzen die Träger der unerhört vielfältigen Kostüme
vorüber — oft läßt der Verlag in verständnisvoller Opfer-
willigkeit ein besonders prächtiges Stück auf farbiger Tafel
herausblinken, wie die Proben von Burnaccinis Kunst, der
mit dem Reichtum seines Hofes als Theatralingenieur so
wohl zu schalten wußte. Bekannte Typen treten hier in
aufregenden Zusammenhang mit dem bisher unerschlossenen
Material: Watteaus italienischen und französischen Komö-
dianten, Colombine, Crispin folgen auf dem Fuß die Typen
aus dem römischen Karneval, die durch Goethe dem Norden
vertraut gemacht sind. Aus den fürstlichen Karussellzügen
lösen sich die Helden heraus, um als tragische Heroen den
Schauplatz zu erschüttern.

Dann folgt die bunte Gestaltungsfähigkeit unserer klas-
sischen Schauspieler: IfFland stellt sich in seinen Rollen,

auch im Bild noch als wahrer Proteus vor, und führt den Reigen
bis Dawison, Baumeister, Thiemig, Bassermann, Pallenberg.

Zwischen den stilvoll-abstrusen, nach historischer Echt-
heit strebenden Geschmacklosigkeiten der Empire- und
Biedermeierzeit, getragen von der Blüte der Schauspielkunst,
wehen beglückend zeitlos die Ballettröckchen der Taglioni
und Elßler; und aus dem Bann von Spießerei und Kitsch,
der über dem Stil des neueren bürgerlichen Theaters lag,
führen in der auch nicht mehr jüngeren Generation der
Russe Bakst, der Engländer Craig, der Wiener Roller die
neue Zeit herauf, die wieder auf ein Ganzes, auf weite
Sicht, auf Einfühlung der Gestalt in das dramatische Ele-
ment bedacht ist. Selbst die photographisch mitgeteilten
Kostüme, Masken, Schauspielertypen wirken gut in diesem
Buch; sie reihen sich würdig in den Zügen, der mehr als
ein ganzes Jahrtausend Verkleidungsphantasie verkörpert.
Es ist ganz überraschend und voller Reiz, zu erleben, wie
sich für jede Epoche durch diese schimmernden und un-
wirklichen Gestalten das Siegel von manchem menschlichen
Geheimnis zu lösen scheint. Oskar Fischel.

Wilhelm Pinder, Mittelalterliche Plastik Würz-
burgs. 2. Aufl. Curt Kabitzsch, Leipzig 1924.

Die ausgezeichnete Arbeit Wilhelm Pinders, die seit
Jahren vergriffen gewesen ist, erschien in zweiter Auflage,
trotz des Abstandes von dreizehn Jahren nur wenig ver-
ändert — der Verfasser gibt die Stellen, an denen kleine
Ergänzungen oder Korrekturen notwendig wurden, im Vor-
wort selbst an —, im ganzen haben die Ergebnisse der
Kritik durchaus standgehalten. Über die Bedeutung, die das
Buch als methodisch gründliche Untersuchung einer Lokal-
schule besitzt, weit hinausreichend, ist Pinders Werk wich-
tig als die erste eingehende Darstellung des Entwicklungs-
ablaufs vom Ende des 13. bis zum Beginn des 14. Jahrhun-
derts, die an dem Beispiel der Würzburger Plastik deutlich
gemacht wird. Das 14. Jahrhundert war bislang von der
Forschung, die sich auf der einen Seite mit der großen
Kathedralskulptur des 13. auf der anderen mit den Künstler-
persönlichkeiten der Schnitzaltäre des 15. Jahrhunderts be-
schäftigt hatte, stiefmütterlich behandelt, als eine Zeit des
Niederganges der plastischen Kunst betrachtet wurden. Pin-
der sucht die positive Leistung der Epoche, rückt ihre Be-
deutung im Rahmen der Stilentwicklung in das Licht. Sein
Buch ist das Musterbeispiel einer lokalgeschichtlichen Unter-
suchung, die bei gewissenhaft engster Einstellung auf einen
örtlich umschriebenen Denkmälerkreis doch niemals den
Blick für die großen Zusammenhänge des gleichzeitig ge-
samteuropäischen Geschehens verliert. In diesem starken
Lichte werden die Hauptlinien der lokalen Entwicklung erst
deutlich erkennbar, und andrerseits wird am Einzelfall bei-
spielhaft das stilgeschichtliche Phänomen der Epoche über-
haupt deutlich. Neben den vielen und zum Teil bei den
recht oberflächlichen Allgemeindarstellungen einzelner Ka-
pitel aus der Geschichte deutscher Plastik, die seither er-
schienen sind, hat Pinders grundlegende Arbeit ihre Bedeu-
tung nicht verloren, und wer sich um das Verständnis der
Formbildung des 14. Jahrhunderts bemüht, dessen spezi-
fische Leistung immer klarer erkennbar wird, muß die Neu-
auflage der Würzburger Plastik dankbar begrüßen. Glaser.

VIERUNDZWANZIGSTER JAHRGANG, NEUNTES HEFT. REDAKTIONSSCHLUSS AM 20. MAI. AUSGABE AM 1. JUNI NEUN-
ZEHNHUNDERTSECHSUNDZWANZIG. REDAKTION KARL SCHEFFLER, BERLIN; VERLAG VON BRUNO CASSIRER, BERLIN
GEDRUCKT IN DER OFFIZIN VON FR. RICHTER, G.M.B.H., LEIPZIG
 
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