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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 10
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0443

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ERNA FRANK, FLORENZ. LITHOGRAPHIE

CHRONIK

Peter Jessen ist, achtundsechzigjährig, am 15. Mai ge-
storben. Er hat den Rücktritt von dem Amte, das ihm zum Inhalt
seines Daseins geworden war, um kaum mehr als ein Jahr über-
lebt. Aus bescheidenen Anfängen hat er in mehr als dreißig-
jähriger, hingebender Arbeit die Fachbibliothek des Kunst-
gewerbemuseums zu dem großartigen Bildungsinstitut ent-
wickelt, das die Staatliche Kunstbibliothek heut darstellt.
Peter Jessens Lebenswerk war aufs engste verbunden mit
der kunstgewerblichen Bewegung, die er seit ihren An-
fängen durch Rat und Tat, durch Anregung der Schaffen-
den wie durch Heranziehung weiter Kreise von Interessenten
zu fördern verstanden hat. Er hat seine Bibliothek zu einem
Instrument der Belehrung und Wirkung gemacht, und er hat
zugleich durch Vorträge und Ausstellungen für die neuen
Ideen geworben. Als in der Nachkriegszeit der einstige
enge Zusammenhang von Museum, Bibliothek und Schule
sich lockerte, als die Kunstgewerbeschule mit der Hochschule
der bildenden Künste vereinigt wurde, und die Bibliothek
in dem einst gemeinsamen Hause allein zurückblieb, ver-
stand es Jessen, der neuen Lage Rechnung zu tragen, er
gab seinem Institut den neuen Namen und begann die Um-
stellung der einstigen Kunstgewerbebibliothek in eine all-
gemeine Kunstbibliothek, die zu vollenden nun die Aufgabe
seines Nachfolgers, Professor Curt Glaser, sein wird. In
einer stimmungsvollen Trauerfeier, die in dem schwarzver-

hangenen und blumengeschmückten Hörsaal der Staatlichen
Kunstbibliothek stattfand, haben seine Freunde und Verehrer
von Peter Jessen Abschied genommen, mit dem Versprechen,
daß seine Schöpfung lebendig erhalten und in seinem Geiste
fortentwickelt werden soll.

Peter Behrens ist mit der Aufgabe betraut worden,
dem alten Peterskloster in Salzburg einen neuen Konviktsbau
anzufügen. Der alte, im Lauf der Jahrhunderte gewachsene
Baukomplex bestand aus stilistisch sehr heterogenen Teilen
von romanischem, gotischem und barockem Charakter. Behrens
hat es gewagt, dieser historischen Bautengruppe eine voll-
kommen neuartige Architektur anzugliedern. Er hat damit
durchaus im Geiste der alten Meister gehandelt, die in ihren
Schöpfungen ebenfalls kein anderes als das Empfinden ihrer
eigenen Zeit zum Ausdruck brachten. Man darf es als ein
Zeichen des allgemeinen Erwachens einer neuen Baugesinnung
betrachten, daß die geistlichen Bauherren einen modern den-
kenden Architekten beriefen und ihm in seinem Vorhaben
keinerlei Beschränkung auferlegten.

Ein neuer Vermeer ist kürzlich in Berlin aufgetaucht.
Das Bild stellt den Kopf eines Mädchens dar, das dem Meister
mehrfach als Modell gedient hat. Es gibt heute kaum einen
Namen, der für den Kunstmarkt eine ähnliche Anziehungs-

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