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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 11
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Mayer, August Liebmann: Münchner Glaspalast 1926
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Ausstellung der Kunstschau zu Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0468

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ihm ist die neue Sachlichkeit kein Krampf, kein leeres
Akademikertum und kein Kokettieren oder gar Imitieren
von schlechten Biedermeierbildern, sondern eine in Format

und Farbe sich bescheidende, auf Schlichtheit gestellte Kunst
mit dem ersten ernstlichen Ansatt, wieder zu einer kunstvoll
gefügten figürlichen Komposition zu gelangen.

AUSSTELLUNG DER KUNSTSCHAU IN WIEN

Aus der Zeit der heftigen Kämpfe um die neue Kunst ist
der Name der Kunstschau übrig geblieben als Titel einer
in ihrer Zusammensetzung einigermaßen schwankenden
Gruppe von Wiener Künstlern, die den Anspruch erheben,
die eigentlichen und einzig richtigen Modernen zusein; aus
dem jahrelangen Anspruch auf eine oppositionelle Stellung ist
ihnen ein fester Platz im Wiener Kunstleben zugewachsen:
sie sind die offiziellen Nichtoffiziellen. Ihre diesjährige Aus-
stellung, die im Rahmen des offiziell offiziellen Künstler-
hauses stattfindet, ist von Carl Moll zusammengestellt wor-
den, der ihr durch die Aufnahme von Kollektivausstellungen
zweier Künstler, Franz Wiegeies und Bartholomäus Stefferls,
ein besonderes Gepräge gegeben hat. Wiegele ist ein Alters-
genosse von Kokoschka; in der Ilagenbundausstellung von
1911, in der dieser dem Wiener Publikum zum erstenmal
ins Gesicht gesprungen ist, hat auch Wiegele mit einer
großen Komposition „Akte im Walde" eine starke Talent-
probe gegeben. Er ist dann nach Paris gegangen, während
des Krieges interniert worden, krank nach der Schweiz ver-
zogen; für Wien war er verschollen, eine halb sagenhafte
Figur, von der man nur von fernem Hörensagen wußte.
Nun läßt er sich zum erstenmal wieder hier sehen mit einer
Kollektion von Bildern und Zeichnungen, die den Umfang
einer Persönlichkeit zu messen gestatten, die in all diesen
Jahren sich treu geblieben ist; der große Wurf, den jene
Komposition darstellte, hat sich nicht wiederholt, aber das

kühle und gemessene Temperament, das sich schon damals
in überraschend reifen Zeichnungen verriet, hat sich mit
zunehmendem Nachdruck bestätigt. Die jugendliche Meister-
schaft dieses Künstlers ist nicht frühe Resignation, sondern
Ausfluß instinktiver Sicherheit; altösterreichisches Stammgut
wird in der Malerei dieses Kärntners wieder lebendig.
Biedermeierische Süße schwellt neue Sachlichkeit, aber keine
Spur von Dogmatik raubt dieser Verbindung ihren persön-
lichen Reiz. Was Wiegele vor einem halben Menschenalter
wollte, Synthese von Waldmüller und Cezanne, das kann
er heute; aber der Hauch geheimnisvoller Ahnung, der über
dem Jugendwerk schimmerte, ist von den Flügeln gestreift
und durch einen Glanz ersetzt, der bisweilen ins Allzu-
süße verfällt. Dies heißt einerseits, daß Wiegele Mann ge-
worden ist, anderseits daß ein weiterer Anlauf zu neuer
Steigerung kaum Zu erwarten ist. Die Unruhe des Jünglings,
die quält, aber auch verheißt, zittert heute in Stefterl; er
geht langsamen Gebirglerschrittes seinen Weg, unerhört ernst
und streng für einen Österreicher. Auch ihm ist es um die
Kristallklarheit der Formen zu tun; aber sie sollen Träger
geistigen Ausdrucks bleiben. Die Drusengebilde der etrus-
kischen Bergstädte sind Hingabe an die Sehnsucht unserer
Zeit um Monumentalität; aber die Farbstiftzeichnungen von
Pferden erfüllt eine aufregende Vitalität, deren Charakter
zu kennzeichnen man den großen Namen Delacroix' nennen
darf. H. T.

MAX UNOLD, BEIM ESSEN. 1926

AUSGESTELLT IM MÜNCHNER GLASPALAST

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