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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 12
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Tietze, Hans: Französische Handzeichnungen des neunzehnten Jahrhunderts in der Wiener Albertina
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0493

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gesehen — Tusch —, ein stilisiertes Bukett, beide
überindividuell, ins Typische gehoben, noch in dem
Stilgefühl verwurzelt, das erst der eigentliche Im-
pressionismus auflöst. Hier wird dann naturgemäß
die Handzeichnung unergiebiger, weil sie mit ärme-
ren Mitteln anstrebt, was sich erst in der Malerei ganz
vollenden kann; die Blätter sind deshalb reine Ma-
lerei — wie ein großes Blumenaquarell von Manet

- oder bloße Notiz, wie eine Figurenstudie von
demselben oder auch das meiste von C. Pissarro,
von Sisley und ihrem Kreise, vieles überaus reiz-
voll, aber doch mehr Behelf, überstrahlt von der
Erinnerung an die Bilder dieser Künstler. Im Spät-
impressionismus entsteht ein neuer Zeichnungsstil

- persönlicher, graphischer, aber auch in stärke-
rem Grade rein individuelle Ausdrucksweise ■
Degas (mit Forain als dem Banalisator ins Illustra-
tive neben sich),Toulouse-Lautrec, Gauguin; anders
bedingt Puvis de Chavannes und Rodin, deren
Zeichenweise in guten Blättern verschiedensten Cha-

rakters belegt ist. Als Gipfel dieser Hoch- und Spät-
zeit sind Renoir und Cezanne in Qualität und
Quantität besonders reich aufgebaut; letzter Ruhe-
punkt vor neuer stürmischer, noch nicht historisch
gebändigter Problematik. Beide großen Meister,
den Abschließenden wie den Neubeginner, läßt auch
ihr Handzeichnungswerk erkennen; das Renoirs
immer strömend, ob feiner Bleistiftstrich Frauen-
akte umschmeichelt (Skizze zu den Baigneuses von
1885 u. a.) oder ob sich in blühenden Aquarellen
landschaftliche Form in leuchtende Buntheit löst
oder ob saftige Kohlen- oder Rötellinie die volle
Vitalität junger Frauen umschreibt; das Cezannes un-
erhört vielseitig von der stockenden Bleistiftskizze
bis zu den leichten sich zauberhaft vom Grunde lösen-
den Plastikstudien und den großen Landschaftsaqua-
rellen, über deren Visionen die Frage nach den Mit-
teln, nach Malerei oder Zeichnung völlig verstummt.
Sie bilden in unvergleichlichster Konzentration das
Vermächtnis der Vergangenheit an die Zukunft.

AMEDEE MODIGLIANI, SCHLAFENDE FRAU

MIT ERLAUBNIS DER SOCIETE DU DROIT d'aUTEUR AUX ARTISTES (GALERIE A. FLECHTIIEIM)
BESITZER : GALERIE BING, PARIS

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