Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:
Cohen, Walter: Aus Jacques Louis Davids Atelier: Brief eines Deutschen aus dem Jahre 1812
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0504

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
AUS JACQJJES LOUIS DAVIDS ATELIER
Brief eines Deutschen aus dem Jahre 1812

Tch befinde mich mit Arnold seit dem 1 Juli im Atelier des
Herrn David, wo ich mich nur die Tage, wo er kömmt
um zu corrigiren, an seinem corrigiren und raissonements be-
sonders vergnüge, denn die Malerei seiner fast 40 Schüler,
welche mehr Ilanswürste als Künstler sind, ergötzt mich so
wenig als diese im Stande ist, einem zum Muster zu dienen.

Seine besten Schüler sind deutsche, und David mit der
Einrichtung seines Ateliers — welches aber für Paris noch

AUGUSTE RENOIR, DER SOHN DES KUNSTLERS ALS JÄGER

MIT GENEHMIGUNG DER D. D. A. DURCH DIE GALERIE A. FLECHTHEIM

besser sein könnte — ein herrlicher Lehrer und gar kein fran-
zösischer Künstler. Um eine schlechte Malerei oder Manier
zu schildern, so sagt er: c'est la maniere franc;aise und zi-
tiert Raphael, Rubens u. dgl. um Muster der Nachahmung
aufzustellen, nur gehört goße Ausdauer dazu, um unter sei-
ner Aufsicht nicht mutlos zu werden, denn wenn man ein
Meisterstück vollendet zu haben glaubt u. schon mit Ver-
gnügen seine Lobeserhebungen hierüber Zu vernehmen glaubt,
so hört man oft statt dessen nach seinem ersten Blick auf
das Machwerk — non, ce n'est pas ca! u. nach einer langen
Predigt ist man genötigt, alles wieder auszulöschen u. von
vorne anzufangen. —

Benutze die jetzt dort wohl angekommene Statue des
Antinous u. die der Venus d. H. Inspekt. Robert, suche sol-
che so wie gute Anatomie recht auszustudieren, zeichne aber
die Antiken weder zu rund noch zu eckigt. Ersteres, sagt
David ist der Deutschen ihr Fehler u. letzteres der Franzosen.
Er rät uns Deutschen, nach Michel Angelp zu zeichnen, weil
wir im ganzen viel zu kalt sind..." —

Verfasser dieses aus Paris vom 12. Juli 1812 datierten
Briefes ist der aus Cassel stammende Maler Justus Kraus-
kopf (1787-1869), Empfänger jener immer noch etwas rätsel-
hafte Maler Friedrich Deiker (1792-1843), dessen im Jahre
1925 auf der Düsseldorfer Jubiläumsausstellung gezeigten
Bildnissen Carl Georg Heise in dieser Zeitschrift (XXIII, S. 470)
„kaum zu überschätzende Qualität" nachrühmte. Als der
in Hanau geborene Stammvater der Malerfamilie Deiker 1810
die Akademie in Cassel bezogen hatte, wurde er dort mit
dem jüngeren Krauskopf bekannt; eine lebenslange, durch
zahlreiche Briefe dokumentierte Freundschaft entstand dar-
aus. Der in dem hier abgedruckten Schreiben genannte
Arnold ist gleichfalls ein Casseler, der Maler, Zeichner und
Lithograph Carl H. Arnold (1793-1874), der Vater des be-
kannten Schülers und Freundes von Adolf Menzel. Litho-
graphien Arnolds nach den „Erinnerungen an Nenndorf"
von Krauskopf bezeugen dieses Künstlerbündnis. Im übrigen
haben beide Maler aus Paris sehr viel weniger heimgebracht,
als der ungleich genialere Deiker, der freilich erst 1827 dort
einen längeren Studienaufenthalt nehmen konnte, also zwei
Jahre nach dem Tode des Meisters des „Marat" und der
„Drei Damen aus Gent". Von den deutschen Schülern Davids,
dessen weltberühmtes Atelier bereits 1781 eröffnet worden
war, seien mit Auszeichnung noch die Rheinländer Bastine
und Ramboux genannt. Sie gehören jedenfalls nicht zu den
„kalten" Deutschen. Die Mitteilung des so lehrreichen Briefes
verdanke ich Herrn Maler Hans Deiker in Berlin.

Walter Cohen.

477
 
Annotationen