ARISTIDE MAILLOL, DIE NYMPHE
AUSGESTELLT IN DER GESOLEI. DÜSSELDORF. MIT ERLAUBNIS DER D. D. A. DURCH DIE GALERIE A. FLECHTHEIM
PRAGER REISE
F\er Reisende, der vom Masaryk- oder Wilsonbahnhof in
die neue Hauptstadt kommt, wird umbraust von einem
Straßenlärm, der eine expansive Vitalität ankündigt. Man
fragt sich: stehen diese prachtvollen Straßenzüge der Barock-
Zeit mit ihrem festlich heiteren Dekor noch in Beziehung
zu diesen Menschen? Ein merkwürdiger Zwiespalt ist in
das wunderschöne Stadtbild hineingekommen. Die meisten
Bewohner haben die innere Zugehörigkeit zu ihren Häusern
verloren. Das offenbarte sich zumal in diesen Wochen
des großartig organisierten nationalistischen Sokolfestes, des
Landesturnerfestes, das unter dem Zeichen des Falken ge-
schieht, wie die faschistischen Truppen Italiens sich unter
die Adler scharen. Die männlichen Rothemden, in einem
Aufmarsch von Zehntausenden, das verschnürte Mäntelchen
über die linke Achsel geworfen, an der Mütze die Falken-
feder und die weiblichen Rotröcke und Weißblusen mit roten
Stirnbändern, auf denen grellbunte Filzrosetten sitzen: diese
Gestalten bestimmen den Eindruck, Vertreter einer kräftigen
Volkskultur im Charakter eines arivierten Oststaates. Die
modernste Baukunst in kubistischen Formen im Stadtteil
Wyschehrad wird man vielleicht als zugehörig ansehen dürfen.
In einem starken Gegensatz dazu betont die geistige
Oberschicht den kulturellen Zusammenhang mit dem Westen,
über Deutschland hinweg mit Frankreich. Als weithin sicht-
bares Wahrzeichen dieses Kulturanschlusses ist auf dem
Laurenziberg der Kleinseite ein Eifelturm en miniature er-
478
AUSGESTELLT IN DER GESOLEI. DÜSSELDORF. MIT ERLAUBNIS DER D. D. A. DURCH DIE GALERIE A. FLECHTHEIM
PRAGER REISE
F\er Reisende, der vom Masaryk- oder Wilsonbahnhof in
die neue Hauptstadt kommt, wird umbraust von einem
Straßenlärm, der eine expansive Vitalität ankündigt. Man
fragt sich: stehen diese prachtvollen Straßenzüge der Barock-
Zeit mit ihrem festlich heiteren Dekor noch in Beziehung
zu diesen Menschen? Ein merkwürdiger Zwiespalt ist in
das wunderschöne Stadtbild hineingekommen. Die meisten
Bewohner haben die innere Zugehörigkeit zu ihren Häusern
verloren. Das offenbarte sich zumal in diesen Wochen
des großartig organisierten nationalistischen Sokolfestes, des
Landesturnerfestes, das unter dem Zeichen des Falken ge-
schieht, wie die faschistischen Truppen Italiens sich unter
die Adler scharen. Die männlichen Rothemden, in einem
Aufmarsch von Zehntausenden, das verschnürte Mäntelchen
über die linke Achsel geworfen, an der Mütze die Falken-
feder und die weiblichen Rotröcke und Weißblusen mit roten
Stirnbändern, auf denen grellbunte Filzrosetten sitzen: diese
Gestalten bestimmen den Eindruck, Vertreter einer kräftigen
Volkskultur im Charakter eines arivierten Oststaates. Die
modernste Baukunst in kubistischen Formen im Stadtteil
Wyschehrad wird man vielleicht als zugehörig ansehen dürfen.
In einem starken Gegensatz dazu betont die geistige
Oberschicht den kulturellen Zusammenhang mit dem Westen,
über Deutschland hinweg mit Frankreich. Als weithin sicht-
bares Wahrzeichen dieses Kulturanschlusses ist auf dem
Laurenziberg der Kleinseite ein Eifelturm en miniature er-
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