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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 24.1926

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Heft 12
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Gerstenberg, O.: Prager Reise
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https://doi.org/10.11588/diglit.7391#0506

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baut worden. Aber mindestens ein Gutes ist im Aufsuchen
französischer Kultur herausgekommen. Der Modernen Galerie
ist ein großer Saal vorzüglicher französischer Gemälde des
neunzehnten Jahrhunderts hinzugefügt worden, womit ein
guter Überblick von Delacroix bis Picasso und Derain ge-
geben wird. Es bleibt erstaunlich, daß in so kurzer Zeit
noch sechs Bilder von Delacroix haben beschafft werden
können, darunter eine prachtvolle Studie zu der sterbenden
Mutter mit dem kriechenden Kind in der unteren rechten
Ecke des Gemetzels von Chios und dann die Entwürfe zu
seinen Gemälden in St. Sulpice in Paris, Jakobs Kampf mit
dem Engel in der Landschaft und Helidors Vertreibung aus
dem Tempel. Rousseau, Corot und Daubigny sind mit cha-

Ein Meisterwerk ist auch noch der Renoir des Museums,
ein Paar im Freien, aus seiner silbertonigen Frühzeit. Die
Bilder von Cezanne, Picasso und Derain dürfen als charak-
teristische Proben von Stil und Art dieser Maler gelten.
Man erkennt schon aus dieser Aufzählung, daß gerade durch
eine Reihe von frischen, malerisch brillanten Studien zu
Marksteinen der französischen Malerei des neunzehnten Jahr-
hunderts die Entwicklung der Farbe und des malerischen
Sehens betont wird. Die Entwicklung des Linienstils fehlt
noch. Weder Ingres noch Degas sind bisher vorhanden.

Die Gemäldegalerie der Gesellschaft patriotischer Kunst-
freunde im Künstlerhaus, kurz das Rudolfinum, ist noch in
der Umordnung begriffen. Der Saal der altböhmischen Ma-

GEORG KOLBE, BRUNNEN IM GARTEN DES HAUSES SIMON

rakteristischen Landschaften vertreten. Daumier unter an-
deren mit einem Entwurf zur Wäscherin an der Stadtmauer.
Courbets Landschaft am felsigen Ufer zeigt seine glänzen-
den Eigenschaften in der Wiedergabe des feuchten Hauches
um Stein und Laub. Seine tiefe und saftige Farbigkeit
wird in der Studie zu der aufgestützt Liegenden für die
Mädchen an der Seine von 1857 vorzüglich repräsentiert.
Unter den Impressionisten fällt Pissarro auf mit einer frühen
großen Landschaft, die, noch dunkel im Ton, den Zusam-
menhang mit Courbet verrät. Es ist ein selten schönes Bild
dieses Meisters. Vier Felderstreifen tiefenwärts, dahinter
ein bewaldeter Hügel: dies wenige an Motivischem zu rein-
ster Schaubarkeit gebracht. Nicht von gleich starkem Wurf
die spätere flimmernd aufgelüste Landschaft Pissarros, die
das Museum besitzt.

lerei und zwei Säle, die vornehmlich der Barockmalerei
Böhmens gewidmet sind, haben ihren früheren Zustand vor-
läufig noch bewahrt. In zwei weiteren Sälen werden Neu-
erwerbungen aufgehängt und aufgestellt. Sie ergänzen vor-
züglich den Grundstock der Sammlung, die altböhmische
Kunst, zumal nun auch Plastiken in größerem Umfange Ein-
zug gehalten haben. Böhmische Holzfiguren des vierzehnten
bis achtzehnten Jahrhunderts, darunter eine ausgezeichnete,
leider abgelaugte lebensgroße Madonnna aus der Mitte des
vierzehnten Jahrhunderts. Unter den neuerworbenen Ge-
mälden, die nicht nur zur böhmischen Schule gehören wie
das Altärchen aus Budweis, sondern auch Italiener, wie ein
gutes Schulbild von Palma Vecchio umfassen, schimmert mit
magischem Schein als größte Kostbarkeit ein Rembrandt.
Es ist die knieende Maria der Verkündigung, ein Bruchstück

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