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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 5
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Tietze, Hans: Anton Hanaks Magna Mater
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0211

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ANTON HANAK, MAGNA MATER. MARMOR

ANTON HANAKS MAGNA MATER

H. TIETZE

"TAie Stadt Wien, die sozialdemokratisch regiert wird, ist
-*—^ in Kunstfragen konservativ; hier nimmt das politisch
entthronte Kleinbürgertum seine heimliche Rache und
schmuggelt in das Stadtbild, das sich in Wohnkultur, Ver-
kehr und Hygiene um radikale Modernität bemüht, die
Ladenhüter abgetaner Kunstbestrebungen ein. Keine Periode
starker Aktivität, wie sie doch die letzten Jahre gewesen
sind, hat rein künstlerisch mit einem solchen Defizit abge-
schlossen. Um so erfreulicher ist es, daß sich die Stadt-
verwaltung von Zeit zu Zeit doch besinnt, in Anton Hanak
den monumentalen Bildhauer zu besitzen; monumental in
dem Sinne, daß sein Schaffen sich niemals mit der Lösung
irgendwelcher abstrakter plastischer Probleme begnügte, son-
dern stets in letzter Linie nach dem Reflex in breiter
Öffentlichkeit begehrte. Schon der literarische Zug in Hanak,
sein sinnierendes Steinklopfertum, hat ihn von Anbeginn
an mit der Sehnsucht erfüllt, seine Werke als sprechende
Denkzeichen in den Straßen der Städte erstehen zu sehen;
seine Bildhauerei ist keine Kabinetts- und Museumskunst,
sondern wahrhafte Denkmalskunst, wenngleich der jahrelang
mangelnde Widerhall den Künstler in eine Einsamkeit trieb,
durch die seine plastischen Themen grüblerisch und gesucht

wurden. Daß Hanak nun einige öffentliche Aufträge — das
Denkmal der Kriegsgefallenen auf dem Wiener Zentral-
Friedhof, zwei Figuren an der Grazer Arbeiterkammer —
auszuführen erhielt, hat diese zerquälte Verstockung gelöst.
Er ist einfacher geworden und gibt sich ungehemmter; und
dadurch gewinnen seine letzten Werke einen Schwung, der
alte Heimatstradition in ihm anklingen läßt.

Diese wärmere Durchblutung kommt der großen drei-
einhalb Meter hohen Marmorgruppe zugute, die Hanak eben
für die Kinderübernahmesteile der Gemeinde Wien vollendet
hat; schon das edle Material, ein wie von innen her leuchtender
weißer Laaser Marmor, die Hälfte eines ursprünglich für
Max Klinger gebrochenen Riesenblocks, steigert den sinn-
lichen Reiz der Gruppe, die in der unkomplizierten Geistig-
keit volkstümlichem Verständnis entgegenkommt, in der
zwanglosen Entfaltung nach allen Seiten an bodenständige
Barocküberlieferung anknüpft. Hanak kommt von der strengen
Frontalität her, die um die Jahrhundertwende als das Mo-
numentalgesetz der Plastik geprägt worden war; in seiner
großen Gruppe „Österreich", die 1910 das Hauptstück des
österreichischen Pavillons in Rom gewesen war, hatte er
versucht, die Verbindung mehrerer Figuren durchaus in der

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