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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 7
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Scheffler, Karl: Edvard Munch in der Berliner Nationalgalerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0288

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EDVARD MÜNCH, SCHLUSSSZENE AUS IBSENS „GESPENSTER". 1906

EDVARD MÜNCH

IN DER BERLINER NATIONAL. GALERIE

VON

KARL SCIIEFFLER

Dreißig Jahre lang hat sich die Nationalgalerie für den
berühmten Norweger wenig interessiert. Sie besitzt bis
heute kein Bild von ihm. Jetzt hat sie das Versäumte durch
eine Ausstellung in allen Räumen des ehemaligen Kron-
prinzenpalais nachgeholt, die fast zweihundertfünfzig Werke
enthält. So viele Bilder nun könnten einem Maler leicht gefähr-
lich werden. Wenn Münch dieser Generalprobe — trotz leerer
Strecken — besser als andere — als Corinth oder Thoma
zum Beispiel — standhält, so liegt es an der Art seines Talents.
Er ist keiner jener Maler, die in das einzelne Werk die
volle Kraft legen; in der Gesamtheit seiner Werke zeigt
sich erst seine Eigenart. Das einzelne hat meistens etwas
Embryonisches; er ist ein Talent der ersten Anlage und
durchschneidet nur selten die Nabelschnur zwischen Werk und
Subjekt. Im ganzen aber hat das Lebenswerk etwas bio-
graphisch Episches.

Revidiert man bei dieser Gelegenheit das Verhältnis zu
Münch, so ergibt sich, daß das, was bei ihm romantisch und

auch literarisch ist, schwächer wirkt, daß dagegen die eigent-
lich malerischen Qualitäten reiner hervortreten. Was dem
Norweger seine nunmehr unbestrittene europäische Bedeutung
gibt, ist in erster Linie das Gewicht der seltenen Persön-
lichkeit, das Einmalige und doch Gleichnishafte des Mensch-
lichen; es ist die merkwürdige Mischung, die nirgends sonstwo
gefunden wird, von Kraft und Zartheit, Herbheit und Süße,
Imagination und Naturgefühl, Intuition und Handwerk, Me-
lancholie und Anmut. Der nihilistische Idealismus Münchs,
seine spekulative Beschwörung der Leidenschaft: das will
einem schon recht historisch erscheinen; es ist wie eine
Erinnerung an die achtziger und neunziger Jahre, als diese
Art Weltanschauung in Berlin im Kreis der Freien Bühne
gepflegt wurde, in jenem Kreis, woran das schöne Pastell-
bildnis von Przybyszewski — das Berlin sich sichern sollte —
erinnert. Verewigt wird Münchs Kunst nicht durch diese be-
sondere Einstellung zum Leben, der ja auch Ibsen und andere
nordische Dichter, die heute schon aus der Mode kommen,

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