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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 9
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Fischel, Oskar: Ein Theater-Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0382

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EIN SAAL AUS DEM THEATERMUSEUM DES SCALATHEATERS IN MAILAND

EIN THEATER-MUSEUM

VON

OSKAR FISCHEL

Theater-Museum? Schauspielerbilder in Rollen oder in
Zivil mit der Tolle auf der Stirn, Lorbeerkränze mit
Schleifen, vergilbte Theaterzettel, Regiebücher und andere
Germanistenfreuden, Szenenentwürfe der Barockzeit, mit denen
die lebendige Bühne nichts anfangen kann und über die der
Kunsthistoriker darum Bände, wenn nicht gar Mappen ver-
öffentlicht — so denkt man sich bei uns ein Theater-Museum;
aber der harmonisch gebildete Kunstfreund schnappt in all
diesem Staub nach Luft. Von Sammlungen, deren Inhalt
die Sphäre der Literatur streift, sind wir ja jeden Muff ge-
gewöhnt, seit selbst unseren Kunst-Museen die Musen den
Rücken kehren; denn wahrer Reichtum und Fülle kommt
von den Göttern, Vollständigkeit vom Kustos!

Deutschland, das Theaterland, hat es bisher nur zu einer
einzigen ansehbaren Theatersammlung gebracht, der Clara-
Ziegler-Stiftung in München, aber auch nur, weil hier ein
Mann mit Augen und nicht bloß mit Belesenheit am Werk
war, gerade der Kunst, die vom Schauen heißt, zum Aus-
druck zu verhelfen. In Wien birgt die Sammlung am Josephs-
platz die Schätze der vornehmen alten Hof bibliothek, die
ihr aus dynastischer Tradition und aus der echten Wiener
Verliebtheit zugewachsen sind. Die Große Oper in Paris hat
aus ihrer Geschichte die ganze Fülle der Köstlichkeiten ver-
einigt durch den liebenswürdig zwischen Wissen und Humor

balancierenden historischen Sinn des französischen Amateurs.
Aber nirgends offenbart sich, was aus alten Kunstwerken
und Sammelstücken an Seele und Geist dem heutigen
Theaterleben zuströmen kann, wie in dem Scala-Museum in
Mailand.

Man tritt aus dem Foyer mit seinem Wogen von Stimmen,
Puder und Parfüm in eine Flucht kühler Spärempire-Räume
und fühlt sich von einer Kultur umfangen, die den Er-
eignissen der großen Bühne, soweit sie nicht im reinen Ge-
sang und Orchester bestehen, nur zu oft und schmerzlich
fehlt. Denn was heut auf dem Theater und besonders in
der Oper zu sehen ist, wird hinter dem Leben, das man in
diesem Museum trifft, seltsam genug zurückbleiben. Hier
bietet sich uns eine Stelle, um die mimische Kunst, das fest-
lich bedeutsame Spiel der großen Vergangenheit, die weite
Skala vom Heros zum Dämon in der gehobenen Welt der
Bühnenräume mit unserem eigenen lebendigen Gefühl
noch einmal zu empfinden; es erneut sich die Totalität sinn-
licher Eindrücke, der Zusammenklang von Ton und Gebärde,
ohne den jede Opernregie leerlaufende Technik bleibt, die
Besessenheit des Darstellers, mag er Sänger, Sprecher, Tänzer
sein. Denn die große spielende Kunst rauschte in alten Zeiten
nicht vorüber wie heut, auf Nimmerwiedersehen. Den Ton
hat die moderne Technik für kommende Generationen fest-

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