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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 11
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UNSTAUS STELLUNGEN

AUSSTELLUNGEN IN
MAGDEBURG, DRESDEN
UND FLORENZ

Die Problematik einer Theateraus-
stellung ist darin begründet, daß nie-
mals das Wesentliche, nämlich das Ge-
samtkunstwerk der Aufführung selbst, sondern nur einige ihrer
Requisiten gezeigt werden können. Diese erscheinen immer
interessant, insofern es sich um historisches Material han-
delt, das eine wenn auch noch so unzureichende Rekon-
struktion früherer Erscheinungsformen theatralischer Kunst
ermöglicht, sie werden als um so unzureichender empfunden,
je lebendiger die Erinnerung an selbst geschaute Auffüh-
rungen nachwirkt, deren szenisches Beiwerk allein sie im Ab-
bilde spiegeln. So sammelt sich das Hauptinteresse des Be-
suchers der deutschen Theaterausstellung in Magdeburg auf
die historische Abteilung, die ein übersichtliches Bild der
Entwicklung von den Zeiten des Mittelalters bis in das
neunzehnte Jahrhundert, bis zu den Meiningern und zu
Richard Wagner bietet, aber Kritik setzt ein, wo jene Epoche
des Theaters beginnt, die heute Lebenden greifbarer und
sinnfälliger in der Erinnerung steht, als sie in einer Aus-
stellung von Bühnenskizzen, Modellen und Figurinen sich dar-
stellen läßt. Kritik muß aber auch die Auswahl des Materials
bemängeln, das in der historischen Abteilung knapp bemessen,
die wesentlichen Etappen der Entwicklung klar zur An-
schauung zu bringen versucht, während sie das Theater der
Gegenwart in einem schwer überschaubaren Massenaufmarsch
sich präsentieren läßt, in dem überdies das Fehlen wesent-
licher Stufen neuzeitlicher Entwicklung peinlich empfunden
wird. Berlin ist unzureichend vertreten, und da die wich-
tigsten Ereignisse im Theaterleben der letzten dreißig Jahre
in Berlin sich abgespielt haben, fehlt damit der Ausstellung
das eigentliche Bindeglied zwischenVergangenheit und Gegen-
wart. Brahm ist gar nicht, Reinhardt nur mit wenigen Stücken
repräsentiert. Man vermißt die wesentlichen und richtung-
gebenden Inszenierungen Barnowskys, Meinhardts und Ber-
nauers. Jessner allein zeigt sein Programm in einer mit
Bedacht gewählten Sammlung von Bühnenmodcllen. Im übri-
gen aber triumphiert die Provinz und triumphiert der Theater-
maler in dieser Ausstellung. Es ist interessant, zu sehen,
in welcher Breite die neue Theaterkunst sich über ganz
Deutschland ausgedehnt hat. Aber so vielfach die Abwand-
lungen von malerischer Farbenfreude zu streng architektoni-
schem Bühnenaufbau sein mögen, es wäre wichtiger gewesen,
zuerst die Hauptlinien klar herauszuarbeiten, ehe man sich
in ihre Verzweigungen verlor. Man hat es nicht mit Unrecht
im voraus beanstandet, daß die deutsche Theaterausstellung
in einer Stadt geplant wurde, die selbst keinerlei Theater-
tradition besitzt. Dieser Fehler hat sich nun gerächt. Aber
was diesmal versäumt wurde, ließe sich wohl nachholen,
wenn Berlin einmal eine Theaterausstellung unternähme, die
dann eine rein Berliner Angelegenheit sein dürfte, weil
Magdeburg den Anteil des übrigen Deutschland in der gan-
zen Breite nun vorgeführt hat.

Die äußere Darbietung des Materials ist von dem Archi-

tekten Albinmüller mit viel Geschick geleitet worden. Die
Hallen sind gut disponiert und bieten zumal in der histori-
schen Abteilung, wo sie nicht unter Überfüllung leiden, ein
angenehmes Gesamtbild, das die Überschau erleichtert. Mit
der äußeren Erscheinung der Bauten, deren uneinheitliche
Entstehung sich deutlich zu erkennen gibt, kann man sich
nicht ebenso vorbehaltlos einverstanden erklären. Auch die
Stadthalle, die der Baurat Göderitz aus dunklen Klinkern
in einfach großen Formen errichtet hat, ist in ihrer düster
romantischen Haltung nicht eben ein Musterbeispiel heutiger
Baugesinnung, die sie in ihrer kubischen Gestaltung zur
Schau zu tragen sich bemüht.

Dresden besitzt eine Ausstellungstradition wie kaum eine
andere deutsche Stadt, und es besitzt am-Großen Garten
ein ideales Gelände, das von Jahr zu Jahr zielbewußter
ausgestaltet worden ist. Während in Berlin von Zeit zu Zeit
großartige Pläne auftauchen, um spurlos wieder zu ver-
schwinden, wird in Dresden gearbeitet, und die Jahresschau
deutscher Arbeit hat sich zu einer ständigen Einrichtung
entwickelt, die einen starken Fremdenstrom in die Stadt
zieht. In diesem Jahre ist das Papier als Ausstellungsthema
gewählt worden. Von der Bereitung des Papiers bis zu allen
Arten seiner vielfachen Verwendung wird alles gezeigt, was
mit diesem wichtigsten Grundstoff menschlicher Kulturarbeit
in Zusammenhang steht. Man sieht da, wie auf alte Weise
Papier geschöpft und wie es heutzutage durch riesige Ma-
schinen erzeugt wird. Man steht immer wieder staunend
vor diesen intelligenten Ungeheuern aus blankem Stahl, die
den Menschen in steigendem Maße seine Arbeir abnehmen,
und man empfindet ästhetischen Genuß an ihrer sachlichen
Form wie an ihren präzisen Bewegungen. Papier als Träger
künstlerischer Form ist ein Hauptgegenstand der Ausstellung.
Vom Buch bis zur Tapete wird alles gezeigt, was aus Papier
gestaltet und auf Papier gedruckt werden kann, und die Aus-
stellung gipfelt einerseits in einem mit nichts als farbigem
Papier festlich dekorierten Raum, der zur papiernen Bühnen-
gestaltung überleitet, anderseits in einer Abteilung neuer
Graphik, die der Deutsche Künstlerbund unter seine Obhut
genommen, und die der Direktor des Dresdener Kupferstich-
kabinetts, Zoege von Manteuffel, mit sicherem Urteil und
Geschmack zusammengestellt bat. Diese Ausstellung ver-
dient, als eine der besten ihrer Art gerühmt zu werden,
weil sie in kluger Beschränkung auf eine übersehbare Zahl
von Blättern nur Wesentliches zu zeigen sich bemüht, und
weil sie sich nicht begnügt, Altbekanntes in einer repräsen-
tativen Schau zu vereinigen, sondern weil es ihr gelungen
ist, von bekannten Künstlern weniger gekannte Arbeiten
und mit ihnen eine Reihe neuer Erscheinungen vorzuführen.
So findet auch der Kenner dieses besonderen Kunsrgebietes
hier manches Neue und Überraschende, und es lohnt wohl,
ein paar Namen zu notieren, wie Pol Cassel, Wilhelm Gesser,
Walter Heisig, Walter Klinkert, Hans Spank, Christoph Voll,
die mit bemerkenswerten Leistungen auf dem Gebiete der
Graphik hervortreten.

Von wesentlich anderer Art war die Aufgabe einer Dar-
stellung zeitgenössischer deutscher Graphik im Rahmen einer

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