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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 25.1927

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Heft 11
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Kunstausstellungen
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7392#0468

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deutscher Maler und Bildhauer eröffnet. Man sah eine Reihe
schöner Kunstwerke; als Ganzes kann sich die Ausstellung
jedoch mit jener im Künstlerhaus veranstalteten Ausstellung
französischer Kunst bei weitem nicht messen.

Flechtheim nannte eine Ausstellung von Werken um 1880
Geborener, in Erinnerung an ein neues Buch von Pinder
„Das Problem der Generation". Es war einer der Einfälle,
wie Flechtheim sie liebt. In Verbindung mit einer Selbst-
anzeige. Etwas Überzeugendes hatte die Ausstellung nicht;
man kann eine literarische Idee nicht in dieser Weise, nicht
ohne Kontraste sinnlich anschaulich machen. Daß die Aus-
stellung dennoch in gewissen Teilen interessant war, ver-
steht sich in den Flechtheimschcn Räumen fast von selbst.

Auch ein „Problem", nämlich das cer „Bildgestaltung in
der jungen Kunst", wollte die Juli-Ausstellung bei Neu-
mann & Nierendorf darstellen. Es war lehrhaft gemeint,
wirkte aber nicht eben belehrend. Der alte Lippmann
pflegte zu sagen: „Kinder, wenn ihr etwas beweisen wollt,
bildet nichts ab." Der hübsche Ausspruch läßt sich variieren.

Ferdinand Möller ist von Potsdam nach Berlin zurück-
gekehrt. Er hat (Schöneberger Ufer 38) eine Wohnung zu
Ausstellungszwecken herrichten lassen, was Poelzig mit
Geschmack und Geschick besorgt hat. Gezeigt wurden neue
Bilder vom alten Georg Mosson, eine Kollektion von Max
Kaus, die ein entschiedenes Talent in seinen dekorativen
Neigungen zeigt und neue Bilder von Heckel, Kirchner,

Pechstein, Crodel, Degner, Herbig, Röhricht u. a., worunter
einige ausgezeichnete Arbeiten waren.

Im Verlag Bruno Cassirer sind achtzig Pastelle von Lieber-
mann ausgestellt — eine schöne Ergänzung der Bilderschau
am Pariser Platz. Diese Ausstellung lehrt den Koloristen
Liebermann kennen. In drei Etappen bieten sich die Pastelle
dar: zuerst wiederholte der Künstler pastellierend seine Bil-
der, dann (um 1890) ging er zur Farbenstudie über, zuletzt
(seit dem Krieg) bereitete er pastellierend seine Bilder vor.
Die Ausstellung ist sehr aufschlußreich. Wir halten uns zu-
rück, an dieser Stelle mehr zu sagen. Was der Herausgeber
von „Kunst und Künstler" über die Pastelle anzumerken
hat, ist in dem Vorwort des Katalogs niedergelegt. Es wird
nicht leicht sein, eine solche Ausstellung in absehbarer Zeit
nochmals zusammenzubringen; darum hat sie auch einen be-
trächtlichen geschichtlichen Wert.

Bei Paul Cassirer werden 275 Zeichnungen von Lieber-
mann gezeigt. Es sind eine Reihe sehr schöner Blätter, vor
allem aus den Sammlungen Bruno Cassirer, Frau Fürsten-
berg-Cassirer, Julius Freund, Frau Mauthner, Hermann Müller,
Oskar Schmitz u. a. zusammengekommen. Sehr Wertvolles
ist in der Ausstellung; doch wird es dem Betrachter nicht
so leicht gemacht, es zu genießen, wie in der Akademie.

Eine solche Masse von Zeichnungen ist an großen Wänden
kaum übersichtlich zu verteilen. Doch entschädigt in diesem
Fall die Einzelwirkung für den Mangel an Gesamtwirkung.

K. Sch.

CHRONIK

JULIUS ELIAS t

Der Sechsundsechzigjährige, der in den ersten Julitagen
starb, obwohl sein Lebensmut ein viel höheres Alter wahr-
scheinlich machte, ist dem Echten in der bildenden Kunst
seit 1890 etwa einer der temperamentvollsten, klügsten und
ehrlichsten Vorkämpfer gewesen. Er gehörte zur Generation
Emil Heilbuts; beide waren 1861 geboren. Man möchte
sagen: er war noch von der alten Garde, die eine heroische
Zeit der modernen Kunst gesehen und für das inzwischen
historisch Gewordene gekämpft hat, ohne je zurückzu-
weichen. In seiner Jugend hatte er etwas ganz Wesent-
liches in Kunst und Literatur erlebt; und das hat seinem
ganzen Leben die Haltung gegeben. Sein gutes Herz,
seine Läßlichkeit, seine Hilfsbereitschaft hätten ihm ge-
fährlich werden können, da sich stets viele, die gefördert
sein wollten, an ihn drängten; immer aber fand und hielt
er die Grenze, wo sich der Dienst am Bedingten vom Dienst
am Unbedingten scheidet. Er war gern gefällig, verlor aber
nie den Grundsatz aus den Augen, der sich in dem Wort
ausspricht, das Leben sei kurz, die Kunst aber lang.

Ein rechter Literatenkopf, mit scharf beobachtenden und
zugleich romantisch sinnenden Augen. Genußfreudig und
verschwärmt. Immer ein wenig polternd, leicht erzürnt,
leicht begütigt, und stets mit einem Unterton von Kind-
lichkeit. Laut in herzliches Gelächter ausbrechend, eifrig,
sprudelnd, Idealist und Enthusiast dem Gefühl nach, und

dabei ungemein arbeitstüchtig. Er glich keinem andern, ließ
sich nur mit sich selber vergleichen. Eine Anekdote, die,
wenn sie nicht wahr ist, sehr gut erfunden ist, gibt den
Menschen wie in einer geistreichen Bildniskarikatur. Elias
hatte beobachtet, daß sich die Bettler an seiner Haustür in
einer peinlichen Weise vermehrten und brachte es mit merk-
würdigen Zeichen und Hieroglyphen in Verbindung, die er
an der Wand des Treppenhauses neben der Klingel bemerkte.
Den nächsten Bettler faßte er persönlich ab, gab ihm eine
blanke Mark und sagte zu ihm: „Nun sagen Sie mir mal,
lieber Freund, was bedeuten die Zeichen?" Der Bettler
zögerte ein wenig und erklärte: „Sie bedeuten: räsonniert,
aber gibt". Er hat immer räsonniert, und immer gegeben.

Julius Elias war durch und durch Berliner. Gegend
Matthäikirchplatz und Tiergarten. Paris aber war ihm wie
eine zweite Heimat. Er kannte beide Städte bis in die
kleinsten Ateliers und bis in die verstecktesten Restaurants.
Alle Welt kannte er, alle Welt kannte ihn. Immer trug er
sein Herz vor sich her, und jeder war ihm dafür dankbar.
Die Gelöstheit seines Wesens teilte sich andern mit, er
machte die Menschen auftauen mit seiner Zutunlichkeit. An
das, was er gerade tat, glaubte er unverbrüchlich. Doch
eilte er gern von einem zum andern, unruhig, geistige Be-
wegung suchend, sprudelnd und anregend.

Er hat sich mit vielen seiner Bekannten brouilliert und
gleich wieder vertragen; doch hat er nur Freunde hinter-

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