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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 26.1928

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Heft 4
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Göpel, Erhard: Erinnerung an Ferdinand von Rayski
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https://doi.org/10.11588/diglit.7393#0179
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FERDINAND VON RAYSKI, LUITGARDE VON PAWEL-RAMINGEN

BESITZER: BARON PAWEL-RAM INGEN

gern die Gelegenheit benutzt, Dresden auf längere Zeit zu
verlassen. Eine romantische Deutung für die von seinem
Onkel v. Broizem vermittelte Pariser Reise. Als Rayski 1839
wieder für längere Zeit nach Dresden zurückkam, hatte der
Freiherr von Friesen, der einen adligen Maler nicht in der
Familie zu haben wünschte, eine weit herbere Enttäuschung
erleben müssen. Seine Tochter — die Dargestellte — hatte
den Hofschauspieler Pauli ohne Einwilligung der Eltern ge-
heiratet und die Familie hatte mit ihr gebrochen; wäre es ihr
mit Rayski ebenso ernst gewesen, hätte sie sicher auch hier
nicht zurückgeschreckt.

Die eigenen Erinnerungen der Besitzerin des Bildes, der
Tochter der Dargestellten, die auf das Dresden der Jahre
1865 —1883 zurückgehen, geben für den romantischen Be-
richt manche Bestätigung. Ist der Erzählerin doch noch
eine kurze Begegnung ihrer Mutter mit dem scheuen, müden
Hagestolz Rayski bei einem Spaziergang in Dresden gegen-
wärtig, wo auf die Frage der Mutter, ob denn die Tochter
ihr ähnlich sähe, Rayski die melancholische Antwort gibt:
„Die Mutter ist es lange nicht." Die Mutter — jetzt, zum
zweiten Mal verheiratet, Isidora Meister — verkehrte viel
mit den beiden Schwestern Rayskis und von Besuchen her
erinnert sich die Tochter noch an die geräumigen Zimmer
der Rayskischen Wohnung. Über dem Sofa habe das Bild

der „Mimmi", der einen Schwester Rayskis, gehangen (jetzt
in der Dresdener Galerie, Grautoff S. 152), auch das Bild
der Mutter Rayskis sah sie dort (Berlin, Nationalgalerie,
GrautofF S. 155). Nicht ganz sicher ist sie, ob Rayski bei
seinen Schwestern wohnte, es waren fast die einzigen Men-
schen, mit denen er verkehrte, jedenfalls pflegte er mittags
mit ihnen zu speisen, fremdem Besuch aber zeigte er sich
nie. Die Schwestern erzählten von seinem Arbeitszimmer,
das niemand betreten dürfe und über dessen Schreibtisch
das Jugendbildnis der Isidore von Friesen hinge. Auf die
gelegentliche Frage der Frau Meister: „War er (Rayski)
denn ein guter Maler?", gab der Akademieprofessor Scholz
kühl zu, daß er schon Bedeutendes geleistet habe; trotzdem
schwieg die Dresdener Akademie ihn tot.

Wie wenig ihn der Adel als Maler schätzte, ihn viel-
mehr nur als Standesgenossen gelten ließ (worauf auch Grau-
tofF hinweist), dafür ist das folgende bezeichnend. Fragte
man die Schwester der Isidore von Friesen, Luitgarde, die
von Rayski in einem großen Kniestück gemalt wurde, von
wem das Bildnis stamme, so war die den Namen verschwei-
gende Antwort: „Oh, das hat ein Vetter gemacht." Das
Bildnis der Luitgarde von Friesen, die später einen Baron
von Pawel-Ramingen heiratete, befindet sich im Besitz des
in Frankreich lebenden Sohnes. Es zeigt die Dargestellte
in halber Figur, sitzend, in dunkelem Kleide, etwas unter
lebensgroß (86:73). Die Ausführlichkeit der Malerei in allen
Partien läßt im Vergleich mit dem Bildnis der Isidore von
Friesen dieses namentlich in den unteren Partien als un-
vollendet erscheinen.

Will man der romantischen Erzählung Glauben schenken,
so wäre das Bildnis der Isidore von Friesen noch in das
Jahr 1834 zu setzen, ehe Rayski seine Reise nach Paris an-
trat, es würde das auch mit dem jugendlichen Aussehen der
Dargestellten, die damals 21 Jahre alt war, übereinstimmen.
Ist Rayski zwischen 1835 und 1839 (aus den Angaben Grau-
toffs ist es nicht ganz sicher zu schließen) nicht wieder nach
Dresden gekommen, so spricht das für das frühere Datum,
da die Porträtierte 1839 schon Frau Pauli war. Einen „Frauen-
kopf" bezeichnet GrautofF (S. 70, Abb. S. 131) als Isidore
von Friesen; die Ähnlichkeit mit unserem Porträt ist nicht
auf den ersten Blick überzeugend. Ein Pastell von E. B. Kietz
gibt die Dargestellte in der gleichen Ansicht wie diese un-
vollendete Skizze, doch auch da sind die Unterschiede be-
deutend. Vielleicht darf man an eine Gedächtnisskizze den-
ken, zumal die Hauptcharakteristika: Augen und Nase, tref-
fend gegeben sind, die Datierung GrautofFs für dieses Bild
„um 1836" könnte dann bestehen bleiben.

Das wieder aufgefundene Bildnis bedeutet im Rahmen des
Rayskischen Oeuvres einen Schritt aus der Gebundenheit
der Jugendarbeiten zu der seltenen Fteiheit seiner gelösten
Porträts und die Verknüpfung mit dem persönlichen Ge-
schick des Malers macht es auch dem Freund des Künst-
lers wert.

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