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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 3
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Glaser, Curt: Courbet und Bruyas
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0115

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GUSTAVE COURBET, BILDNIS ALFRED BRUYAS

MUSEUM MONTPELLIER

peitsche nach dem Bilde, und Courbet soll, als er
es erfuhr, gesagt haben: „Schade, hätte ich es vor-
her gewußt, hätte ich eine dünnere Leinwand ge-
nommen; er hätte ein Loch geschlagen, ich hätte
ihn auf Schadenersatz verklagt. Das hätte einen
schönen Prozeß gegeben." Selbst ein Künstler
wie Delacroix fand kein Verständnis für die Schön-
heit des Bildes. Er schrieb in sein Tagebuch:
„Was für ein Bild! Was für ein Gegenstand!
Die Gemeinheit der Formen mag noch hingehen;
aber die Gemeinheit und die Sinnlosigkeit der
Idee sind abstoßend; und alles zugegeben, wenn
wenigstens diese Idee klar zum Ausdruck gebracht
wäre!" Kein Wunder, daß andere noch schärfer
urteilten. Um so erstaunlicher aber, daß das Bild
einen Käufer fand, und es lohnt wohl, bei dem
Manne ein wenig zu verweilen, der das Ärgernis
auf sich nahm und dem Urteil der Welt zum Trotz
diesem Hymnus auf die Häßlichkeit in seinem
Hause einen Platz gab.

Der Käufer der „Baigneuses" war alles andere
als ein Sozialist und Revolutionär, alles andere als
ein Gesinnungsgenosse des Malers, dem es darauf
angekommen wäre, die Bürger zu schrecken, wie

man es von Courbet annahm, dem man den guten
Rat gab, nun endlich den Weg zu suchen, dem
Publikum zu gefallen. Er war ein Ästhet, ein
Liebhaber der Kunst, der wohlhabende Bürger
einer reichen und vornehmen Provinzstadt, er war
im Grunde seiner Seele ein Romantiker, und es
war um all deswillen um so erstaunlicher, daß er
es wagte, dieses Bild zu erwerben und sich als
einen Bewunderer und Anhänger des Verfehmten
zu bekennen.

Alfred Bruyas war der Name dieses merk-
würdigen Mannes, der als Sohn wohlhabender
Eltern im Jahre 1821 geboren, sein Leben der Liebe
für die Kunst weihte. Als Fünfundzwanzigjähriger
war er nach Rom gereist, wo er Cabanel begeg-
nete, der als erster sein Porträt gemalt hat. Im
Umgange mit dem Maler, mit dem ihn bald enge
Freundschaft verband, entdeckte er seine Berufung
zum Dienste an der Kunst, so wie er ihn verstand.
Er wurde „amateur", er fühlte sich wohl nur
mit Bildern, in Ateliers, in Gesprächen über Kunst,
er begann zu sammeln, und da er am liebsten das
Bild selbst entstehen sah, so ließ er, von der Natur
nicht mit schöpferischem Talente begabt, immer
wieder sein Bildnis malen, um wenigstens passiv
an dem Werke des Künstlers beteiligt zu sein.

Nicht weniger als siebzehn Porträts des Man-
nes enthält die Sammlung, die Bruyas seiner Vater-
stadt Montpellier übergab, und die heute ihrem
Museum den besonderen Wert gibt. Seine Mit-
bürger haben ihm auch die angebliche Eitelkeit,
die in dieser Bildnisgalerie zum Ausdruck käme,
verargt. Aber es wäre ebenso abwegig, wollte man
Rembrandt Selbstgefälligkeit vorwerfen, weil er
immer wieder die eigenen Züge malte. Bruyas
fühlte sich schöpferisch, wenn er sein Bildnis durch
die Hand seiner Maler verwirklichen ließ. Konnte
er nicht selbst malen, so wollte er doch seine Vor-
stellung von der Malerei auf andere übertragen,
und er hat gerade mit Courbet, dem er zum ersten
Male im Jahre 1853 begegnete, viele Gespräche
über die „Solution" geführt, die Lösung, die wohl
nichts anderes gewesen ist als das, was Cezanne
mit „realisation" zu bezeichnen pflegte. Auf einem
der Bildnisse, das Courbet von ihm gemalt hat,
ist ein Buch zu sehen, das die Aufschrift trägt:
„Etüde sur l'art moderne, Solution. Alfred Bruyas".
Das Buch ist nicht geschrieben worden. Aber man
kann wohl annehmen, daß es geplant war, und

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