Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

DOI Heft:
Heft 3
DOI Artikel:
Ganz, Hermann: Rodin im Hôtel Biron
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0129

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
AUGUSTE RODIN, DIE MÄRTYRERIN

RODIN - MUSEUM , PARIS

RODIN IM HOTEL BIRON

VON

HERMANN GANZ

T^odin gehörte zu den problematischen Naturen,
die trotz aller künstlerischen Einwendungen
immer wieder fesseln: Phantasie, Sinnlichkeit, Ge-
staltungsvermögen waren in ihm so groß wie seine
intellektuelle Inspiration, die ihn die Grenzen des
plastisch Darstellbaren mehr denn einmal über-
schreiten ließ. Daß er zeitlebens mit der offiziellen
Welt zum mindesten auf halbem Kriegsfuß stand,
obwohl er schließlich, wie so mancher andere,
Grand Officier der Ehrenlegion geworden ist, be-
greifen wir sehr gut, da die Tradition nur auf
dem Umweg über die Natur, die produktive Lei-
denschaf, also auf revolutionärem Weg erneuert
wird, so oft auch dieser sich zunächst bloß als Ab-
weg herausstellt. Um so erfreuender ist es, daß
Rodins Andenken wenigstens nachträglich in der
Gestalt des „Musee Rodin" gewissermaßen staatlich
sanktioniert erscheint und ebendort, im Hotel Biron,
zugleich die denkbar idealste Weihe fand.

Es gibt kein zweites museales Institut, das sich
damit vergleichen läßt, obwohl es keineswegs an

anderen Museen fehlt, die wie das Musee Rodin
ganz dem Gedächtnis und dem künstlerischen
Oeuvre eines Einzelnen gewidmet sind. Gerade in
Frankreich sind sie keine Seltenheit. Das Musee
Rodin bleibt aber in jedem Fall ein Unikum. Im
Musee Moreau, dessen Besuch aus kunstpädagogi-
schen Gründen — deutlich herausgesagt: zur Ab-
schreckung - nicht warm genug empfohlen werden
kann, tritt einem allerdings ein geistiges Gesicht
entgegen, das in gewisser Hinsicht Rodin nicht
unähnlich ist. Auch Gustave Moreau war, wie Ro-
din, ein Gedankenkünstler, wenn auch in einem
andern Fach und wesentlich ausschließlicher. Wie
man denn über den Vorzügen der französischen
Moderne nur zu gern vergißt, daß die Gedanken-
kunst darin so schlecht und recht gedeiht wie
anderswo. Doch hinterläßt das Musee Moreau nicht
entfernt den Eindruck des persönlichen Gewichts,
das dem Musee Rodin im Hotel Biron und in
seinem Annex, mitsamt dem köstlichen Parke,
eigentümlich ist. Davon ganz abgesehen, daß dieses

102
 
Annotationen