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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 3
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0141

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CHRONIK

Berlin im Licht. Man könnte über die Veranstaltung,
die diesen anspruchsvollen Namen trug, das wohltätige Dunkel
des Schweigens breiten, wenn nicht verlautete, daß der
scheinbare Erfolg Anlaß Zu einer Wiederholung des be-
schämenden Schauspiels sein soll. Die paar jämmerlich mit
Glühbirnen besteckten Bäume Unter den Linden, das traurige
Lichternetz über den Straßenbahnleitungen der Leipziger
Straße, genannt „Milchstraße", endlich die schäbigen Lein-
wandplakate der Tauentziensrraße, die mit ein paar Fähnchen
in eine „Straße der Nationen" verwandelt wurde, dies und
einige Scheinwerfer, mit denen öffentliche Gebäude, wie es
so schön heißt, angestrahlt wurden, waren die Sehenswürdig-
keiten, die hunderttausend Schaulustige nächtlicherweile in
die Straßen lockten. Man zweifelte, ob man mehr über die
Genügsamkeit oder die Urteilslosigkeit der Massen staunen
sollte, aber man zweifelte nicht an der Unzulänglichkeit der
Veranstalter dieses Lichtfestes, die noch immer nicht er-
kannt haben, daß Berlin eine Weltstadt ist und Maßstäbe
fordert.

Die Nutzbarmachung der lichttechnischen Fortschritte
unserer Zeit für die nächtliche Erscheinung der Großstadt
ist eines der Hauptprobleme der Architektur, die vor der
Aufgabe steht, das Außere wie das Innere der Häuser auf
die beiden möglichen Arten der Beleuchtung, die natürliche
des Tages und die künstliche der Nacht, abzustellen. Es
fehlt in Berlin nicht an Versuchen neuartiger Lichtarchitektur.
Hier hätte angesetzt werden müssen, anstatt daß man Glüh-
lämpchen von Anno dazumal in die gefährliche Nachbar-
schaft strahlender Lichtreklamen der Geschäftshäuser brachte.
„Berlin im Licht" hätte ein großartiges Experiment sein sollen,
ein Blick in mögliche Zukunftsentwicklungen, das Phantasie-
bild einer nächtlichen Weltstadt, wie sie möglicherweise
einmal sein wird. Was statt dessen geboten wurde, war eine
traurige Krähwinkelei, wie sie kaum
eine andere Großstadt des Reiches sich
heute zuschulden kommen lassen würde.
Was haben Städte wie Köln, Düsseldorf,
München, Dresden, Stuttgart, Magde-
burg im Ausstellungswesen geleistet,
und wie traurig sind dagegen die Veran-
staltungen des Messeamtes, das nicht
zu wissen scheint, wie viele für die
heutigen Aufgaben der Ausstellungs-
technik verwendbare Künstler in Berlin
leben. Nach dem wenig verheißungs-
vollen Verlauf, den die Vorarbeiten
genommen haben, darf man fast zu-
frieden sein, wenn der großartig ange-
legte Plan einer zehnjährigen Bauaus-
stellung im märkischen Sande zu zer-
rinnen scheint. Und Gott gebe, daß
uns die Blamage eines behördlich an-
geordneten Berliner Karnevals erspart
bleibe.

DAVID TENIERS, SCHAFERKNABE

AUSGESTELLT IN DER PICTURA, BERLIN

Ein gerichtliches Urteil, das geeignet ist, erhebliche Be-
unruhigung in den Kunst- und Antiquitätenhandel zu tragen,
ist von dem Oberlandesgericht in Hamm gefällt worden. Es
handelt sich um den Rechtsstreit um ein altkölnisches Tafel-
bild, das von dem Bauunternehmer Pieper in Soest in ver-
wahrlostem Zustande in dem Schloß Wehrden an der Weser
aufgefunden und seinem Eigentümer dem Grafen Wulff-
Metternich für 1500 Mark abgekauft wurde Die Stadt Soest,
der das Bild für 10000 Mark angeboten wurde, lehnte den
Ankauf ab. Es erzielte schließlich in einer Auktion bei Lempertz
in Köln 95000 Mark. Der Preis war keinesweg übertrieben,
denn unter dem Schmutz war bei der Restaurierung ein sehr
wohlerhaltenes, vorzügliches Gemälde der altkölnischen Schule
aus der Zeit des Meisters Wilhelm zutage gekommen. Man
wunderte sich mit Recht, daß das Kölner Museum sich nicht
mehr um das Stück bemühte, das jetzt die Zierde einer
Frankfurter Privatsammlung bildet. Es ist menschlich be-
greiflich, daß der Vorbesitzer die ungeheure Wertsteigerung,
die dem ersten Käufer zugute kam, als Ungerechtigkeit emp-
fand und zum Kadi ging. Aber das Landgericht hatte ganz
recht, als es die Klage abwies, denn es müßte zu unmög-
lichen Folgen führen, wenn die Rechtsprechung sich all-
gemein auf den Standpunkt der Berufungsinstanz stellte, die
dem Kläger eine Entschädigung in Höhe von 6000 Mark
zuerkannte. Wer ein Kunstwerk verkauft, muß sich über
den Wert im klaren sein und muß alle Folgen tragen, auch
wenn er sich in einem Irrtum befunden hat. Das Geschäft
ist unanfechtbar, sofern nicht eine betrügerische Absicht auf
der einen oder der anderen Seite nachweisbar ist. Hätte der
Käufer das Bild für sich behalten, hätte er es der Stadt
Soest für 10000 Mark verkauft, wäre das Bild durch mehrere
Hände gegangen, wie es meistens der Fall zu sein pflegt,
ehe es seinen Endpreis erzielte, so wäre der Verkäufer ver-
mutlich nicht auf den Gedanken ge-
kommen, einen Schadenersatz zu ver-
langen. Allein die Tatsache, daß die
Spanne Zwischen Einkaufs- und Ver-
kaufspreis in einer Hand so enorm
war, gab die Ursache zu der Erregung
und erklärt das Urteil. Wo aber ist da
eine Grenze zu finden? Es kommt im
Kunsthandel nicht selten vor, daß ein
Bild erst zu Ehren gebracht werden
muß, um seinen Preis zu erzielen.
Man mag über die Manipulationen, die
zuweilen damit verbunden sind, über
Verschönerungskuren durch Restaurie-
rung und Expertisen, die in dem vor-
liegenden Falle übrigens kaum nötig
waren, denken, wie man will, es geht
nicht an, daß ein bindender Verkauf
nachträglich angefochten wird, weil es
sich herausstellt, daß mit mehr Sach-
kenntnis undGeschicklichkeit ein erheb-
lich höherer Preis erzielt werden konnte.

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