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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 5
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Glaser, Curt: Vom Markte Neuer Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0240

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VOM MARKTE NEUER KUNST

VON

CURT GLASER

T^s ist vor Monatsfrist an dieser Stelle über Preise mo-
' derner französischer Bilder, die in Paris versteigert
wurden, berichtet worden. Es waren zum Teil erstaunliche
Summen, aber es sind keineswegs ungewöhnliche Preise,
denn auch auf Ausstellungen und in Läden hört man For-
derungen, die sich in sechsstelligen Ziffern bewegen, um-
gerechnet bisweilen 50000 Mark erreichen. So werden Bil-
der einzelner lebender Maler bewertet, und es wird be-
hauptet, daß solche Summen nicht nur gefordert, sondern
auch bezahlt werden.

Mag das übertrieben, mag nur die Hälfte wahr sein,
es genügt, die Lage des Pariser Kunstmarktes zu beleuchten,
dessen außergewöhnliche Konjunktur nicht durch die Nach-
wirkungen der Inflation allein erklärt werden kann. Gewiß
ist das Geschäft mit modernen Bildern in Paris in hohem
Maße spekulativ. Man kauft und verkauft. Man macht
eine Sammlung und läßt sie nach kurzer Frist versteigern,
um wieder von neuem zu sammeln. Die Versteigerungen
gehen gut, weil der Betrieb aufs vollkommenste durch-
organisiert ist. Die Händler sorgen dafür, daß die Preise
gehalten werden. Hinter den großen stehen die kleinen
Händler, hinter ihnen das Publikum nicht nur von Paris,
sondern von Europa, Amerika, der ganzen Welt. Und hier
ist schließlich des Rätsels Lösung zu suchen. Der Pariser
Kunstmarkt versorgt die ganze Welt heute mit Bildern genau
so wie die großen Pariser Schneider-Ateliers mit Kleidern.
Der Name eines Künstlers, der in Paris lebt, der von einer
der großen Pariser Kunstfirmen lanziert wird, hat Aussicht dar-
auf, eine Weltmarke zu werden. Es kommt nicht darauf an,
daß der Künstler Franzose ist, der Betrieb ist auch in dieser
Hinsicht durchaus international, er kann Spanier, Italiener,
Schwede, Norweger, Russe, Japaner sein, aber die Bilder
müssen in Paris gemalt, von Paris vertrieben werden, um
auf dem Weltmarkte Aufnahme zu finden.

Man muß sich darüber klar sein, daß Deutschland, das
einmal von München aus einen allerdings noch bescheideneren
Weltmarkt versorgte, heute Frankreich gegenüber weit ins
Hintertreffen geraten ist. Auch der deutsche Markt wird
heute in hohem Maße von Frankreich beherrscht. Auch
der deutsche Sammler kauft französische Impressionisten,
und er kauft Matisse, Picasso, Derain, Vlaminck, ebenso
wie der Sammler in New York und in Buenos Aires, in
Kapstadt und in Tokio. Es gibt keinen Markt für die Werke
lebender deutscher Maler, nicht in der Welt und nicht ein-
mal in Deutschland.

Diese Zeitschrift darf sich von dem Verdachte natio-
nalistischer Gesinnung in Fragen der Kunst gewiß frei glau-
ben. Sie hat sich immer für das Echte und Gute in der
Kunst eingesetzt, gleichgültig von wo es kam, und sie ge-
hörte zu den ersten, die der Malerei des französischen Im-
pressionimus den Weg bereiteten. Aber gerade darum darf
an dieser Stelle einmal nachdrücklich gewarnt werden vor
jener blinden Überschätzung jeder von Paris in die Welt

gesetzten Marke, deren Folge die immer katastrophaler sich
auswirkende Lage unserer Künstler ist.

Wir sind heute so weit gelangt, daß von einem Markte
für die Werke lebender Künstler in Deutschland mit weni-
gen Ausnahmen überhaupt nicht mehr die Rede sein kann.
Es gibt wohl vereinzelte Liebhaber, die hie und da ein
Bild kaufen. Aber die Verkaufsstatistik der Ausstellungen
ist im allgemeinen geradezu katastrophal. Oft sind die
Museen und Behörden fast die einzigen, die als Käufer
auftreten, und für den Kunstmarkt als solchen haben gerade
diese Käufe überhaupt keine Bedeutung. Die kleinen Aus-
stellungen der Kunstsalons unterscheiden sich hinsichtlich
ihres finanziellen Erfolges kaum von den großen allgemei-
nen Ausstellungen der Verbände. Die Zahl der Kunsthand-
lungen, die sich mit dem kostspieligen Apparat ständig wech-
selnder Ausstellungen belasten und sich der hoffnungslosen
Aufgabe unterziehen, moderne Bilder zu vertreiben, wird
überdies begreiflicherweise immer kleiner. Man braucht
keine Namen zu nennen. Jedermann weiß, wie in Berlin
Kunsthandlungen verschwanden oder von neuer sich auf
alte Kunst umstellten, und nicht selten muß, auch wenn
vorn anständige neue Bilder ausgestellt sind, hinten mit
elenden alten Schwarten gehandelt werden, weil nur damit

• A N IV A • R E G l N A •

HANS MALER, KÖNIGIN ANNA VON ÖSTERREICH

KUNSTHANDLUNG DE BURLET, BERLIN

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