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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 6
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Scheffler, Karl: Berliner Ausstellungen
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0274

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Es kommt nur darauf an, daß er die hier mögliche Voll-
endung öfter erreicht und gleichmäßiger dann die Höhe
behauptet.

WILLI BAUMEISTER und EDGARD TYTGAT
Die Galerie Flechtheim macht zurzeit die besten und
interessantesten Ausstellungen moderner Kunst in Berlin.
Im Februar vermittelte sie die Bekanntschaft mit dem
flämischen Maler Edgard Tytgat. Es ist eine Trouvaille.
Tytgat ist ein wirklicher, echter Dichter, und er versteht
alle seine Dichtung vollkommen in Malerei zu verwandeln.
In eine Malerei, die koloristisch begann (1922) und sich
dann schnell einer Stimmungshaften Tonigkeit zugewandt
hat, die leise an Henri Rousseau denken läßt, die aber in
der naivsten Weise der Erzählung dient. Tytgat mag an-
greifen was er will: gleich verwandelt sich ihm alles Leben
in etwas Märchenhaftes. Seine Klugheit mutet kindlich an,
seine Ironie ist liebevoll, seine Neigung zum Gleichnis-
haften ist ohne jede Lehrhaftigkeit. Das „es war einmal"
verwandelt sich in der natürlichsten Weise zu einem „es
ist immer noch". Von der Art der Bilder zeugen schon die

Titel: Die taprischen Greise, Verlorene Illusionen, Prologue
d'une castration, Wenn der Ehemann auf die Jagd geht, Der
Morgen einer Liebesnacht usw. Der Reiz dieser lächelnden,
still sinnenden Kunst liegt in ihrer Echtheit und Anspruchs-
losigkeit, in ihrer heimlichen Stimmungskraft. Was wenigen
Malern heute gelingt, das vermag der Flame: er zwingt den
Betrachter, mit seinen Augen zu sehen, mit seinen Sinnen
zu empfinden, mit seinen Vorstellungen die Welt als Mär-
chen zu träumen — ohne daß man des Zwanges irgendwie
gewahr wird.

In einem merkwürdigen, irgendwie wirksamen Gegensatz
zu dieser bewußt illustrativen Kunst Tytgats stehen die
Arbeiten Willi Baumeisters, die ganz Idee, Abstraktion,
Flächenvorstellung und Existenzarabeske sind. Es ist darüber
kaum mehr zu sagen, als daß der Künstler es ernst meint
und daß er zweifellos seinen Platz hat innerhalb jener
weiten Bewegung, die das Synthetische erstrebt, die aber
im Grunde analysierend vorgeht. Baumeister denkt stets
an die ideale Mauer. Er hofft auf eine Zeit, deren Archi-
tekten in Mauern denken. Es ist, als wäre sein Name ihm
zum Schicksal geworden. K. Sch.

CHRONIK

T7rau Eduard Arnhold, die Witwe des bekannten Kunst-
^ freundes und Sammlers, ist am 10. Februar gestorben. Wie
es heißt, soll nach ihrer letztwilligen Verfügung die be-
rühmte Sammlung noch zehn Jahre lang ungeteilt beisam-
men bleiben. Drei Hauptwerke von Leibi, Böcklin und
Liebermann sind der Nationalgalerie vermacht. Das Schick-
sal der übrigen Gemälde, vor allem der berühmten Werke
von Manet, Monet, Renoir, ist ungewiß.

Es scheint uns, daß die Erhaltung dieser Sammlung eine
würdige Aufgabe für die Kunstdeputation der Stadt Berlin
wäre. Wir haben den geplanten Ankauf der Sammlung
Böhm nicht kritisiert, obwohl er zum Widerspruch heraus-
fordert, weil nicht einzusehen ist, warum die Stadt ein
schwächeres Konkurrenzunternehmen der Nationalgalerie
auftun sollte. Nur der Liebermann-Besitz der Sammlung
Böhm würde eine Bemühung rechtfertigen, die man besser
nun der Sammlung Arnold zukommen lassen sollte. Denn
diese Sammlung bildet eine wichtige Ergänzung der Be-
stände der Nationalgalerie. Sie ist unter den Augen
Tschudis entstanden, und es war wohl seine stille Hoffnung,
daß sie einmal der Galerie zufallen würde.

Die veränderten Zeiten haben diese wie so manche an-
dere Holfnungen unserer Museen zunichte gemacht. Die
Mittel des Staates versagen. Hier wäre es eine natürliche
Ehrenpflicht der Stadt, einzugreifen, eine Sammlung, die
Weltruhm genießt, vor der Auflösung zu bewahren. Man
las kürzlich den Bericht über die Summen, die von der
Stadt für Mittel der Kunstpflege verausgabt werden. Allein

für Kunstankäufe sind jährlieh 400000 Mark ausgesetzt,
also ungefähr ebensoviel wie der Ankaufsetat der sämtlichen
staatlichen Museen in Berlin beträgt. Es ist geradezu be-
schämend, wie wenig damit bisher erreicht worden ist, hier
bietet sich die Gelegenheit, der Kunstpolitik der Stadt
Berlin eine neue Wendung zu geben, die Grundlage einer
würdigen städtischen Galerie zu schaffen.

*

Das Porträt des Frans Hals, das im vergangenen Jahre
vom Kaiser-Friedrich-Museum im Tausch gegen eine Land-
schaft des Rubens abgegeben worden ist, hat, wie man
hört, jetzt seinen Platz in der Kopenhagener Galerie ge-
funden. Der Kaufpreis ist mehr als doppelt so hoch ge-
wesen wie der Preis, der für das Bild des Rubens gefordert
wurde. Also kunsthändlerisch betrachtet ein schlechtes Ge-
schäft für Berlin. Uns scheint bedenklicher noch die Frage
des Gewinnes oder Verlustes in künstlerischer Hinsicht.
Ein bedeutendes Werk eines Meisters zu veräußern, ist
falsch, auch wenn die Sammlung andere bedeutende Werke
des gleichen Meisters besitzt. Denn ein Museum ist nicht
eine Sammlung von Typen, sondern von künstlerischen In-
dividuen. Ebenso gefährlich ist der Gesichtspunkt, unter
dem die Landschaft des Rubens erworben wurde: es fehle
dem Museum bisher eine große Landschaft des Meisters.
Nicht darauf darf es ankommen, sondern allein auf die
künstlerische Bedeutung eines Werkes. Wir wollen auf den
besonderen Fall im einzelnen nicht eingehen. Aber die
grundsätzliche Frage bedarf der Erörterung.

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