Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

DOI Heft:
Heft 7
DOI Artikel:
Friedländer, Max J.: Über Wilhelm v. Bode
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0285

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
tekten nach seinem Willen. Bei günstigem Winde
gütig, offenherzig und von bezwingender Liebens-
würdigkeit, wurde er bei widriger Gegenströmung
leicht verletzt, spürte in jedem Mißgeschick eine
Verschuldung, schalt und klagte an. Doch glich
der eingeborene Adel seines Wesens die Härten
einer fast Studentenhaften Kampffreudigkeit aus.
In seinem Machtbereiche war man geborgen;
seine Schläge fielen oft dorthin, wo sie nicht
treffen konnten, eher nach oben als nach unten,
eher auf Starke denn auf Schwache. In Ruhe „nein"
zu sagen, fiel ihm schwer; er bedurfte der Erre-
gung, um Widerspruch äußern zu können.

Die unvergleichliche Leistung des Sammlers
steht vor Aller Augen. Mit der Aktivität des
schöpferischen Museumsleiters war wissenschaft-
liche Produktion aufs engste verbunden. Als der
Kenner das „Werk" Rembrandts aufbaute, nahm
er die Gelegenheit wahr, die Berliner Galerie groß-
artig zu bereichern. Und umgekehrt regten ihn
Kunstwerke, die der Zufall des Marktes ihm
brachte, zu gelehrten Ermittlungen an.

Sammler und Kenner war Bode seiner Anlage
nach, Historiker seinem Streben nach, während
die Schriftstellerei in ihrem gewaltigen Umfange
nur als Mittel zum Zwecke diente. Er schrieb
mit fliegender Feder, wie es kam, manchmal an-
schaulich und treffsicher, zuweilen sachlich und
trocken, ohne literarischen Ehrgeiz, ohne eitle
Scheu vor der Banalität. Der Auffassung seiner
Generation gemäß, fühlte sich dieser Kunstforscher
als Geschichtsschreiber. Er beobachtete scharf und

erzählte, wie die Dinge nach dem Augenscheine
sich zugetragen hätten. Auf diesem geraden Weg
ist er vorwärts gekommen, erstaunlich weit, ohne
je zu zweifeln, nach Gesetzen zu fragen und un-
beirrt durch ästhetische Vorurteile. Uberragend
und außerordentlich in der Beobachtung und in
der Tat, hielt er sich im Gedanklichen der mitt-
leren Linie nah und konnte sich deshalb leicht ver-
ständlich machen.

Die einzigartige Universalität seiner Kenner-
schaft kam dem Urteil im einzelnen Falle zugute
und verschaffte ihm Überlegenheit den Spezialisten
gegenüber. Jedes Wahrnehmen sichtbarer Merk-
male beruht auf unbewußtem Vergleichen von
Erinnerungsbildern. Je reicher der Vorrat an
Erinnerungsbildern, um so schärfer fällt die Be-
obachtung aus und um so sicherer das Urteil.

Das Ende seiner beispiellos andauernden Wirk-
samkeit wurde überschattet. Die Störung der inter-
nationalen Beziehungen durch den Krieg, die
schlimmen wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutsch-
land hemmten das Tempo, das er für die Entwick-
lung seiner Museen ungeduldig zu fordern nicht
aufhörte, als ein Greis, in dem der Tatendurst des
Mannes nicht gestillt war.

Im ganzen seiner Lebensbahn genoß er das
höchste Glück, das einer produktiven Natur zu-
fallen kann: die Harmonie zwischen Begabung
und Aufgabe. Er wurde zur rechten Zeit Kunst-
forscher, kam zur rechten Zeit an die Berliner
Museen. Glück von dieser Art ist aber schließ-
lich nichts anderes als das Werk genialer Instinkte.
 
Annotationen