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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 8
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Scheffler, Karl: Hans Meid: Bilder und Zeichnungen in der Galerie Viktor Hartberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0351

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nungen darauf hinweist. Viele dieser Arbeiten, die besten,
stellen italienische Szenerien dar. Sie sind dünn und an-
deutend geraalt, wie aquarelliert; sie geben nicht genaue Ab-
bilder der italienischen Natur, sondern die Empfindungen,
die Meid in dieser Natur am Gardasee hatte. Überall singen
Arienmelodien. Dieses Singen, das in Italien durch die Tage
und Nächte dahingeht: das ist vom Geiste des achtzehnten
Jahrhunderts, das ist im Sinne jener Sphäre, wo der Ernst
des Lebens sich in die Heiterkeit der Kunst verwandelt.

Wie leicht könnte eine solche Kunst ins Dekorative,
ins nur Ornamentale abgleiten! Sie tut es nicht. Regu-
lierend wirkt immer ein diskret arbeitendes Naturgefühl.
Ein seltener Sinn für Handwerk und strenge Zucht tun das
übrige. Es ist kein Widerspruch zu dem eben Gesagten,
es ist vielmehr eine Bestätigung, wenn man feststellt —
zuerst vor den Zeichnungen, dann aber auch vor den Bil-
dern, vor allem vor den schönen Nachtstücken —, daß
Meid eine große Liebe zu Menzel hat. Nicht nur, weil
seine Großstadtromantik sich gern mit Häusern im Abbruch
beschäftigt, nicht nur weil in den Mondscheinlandschaften
eine verwandte novellistische Stimmung ist, und nicht nur,
weil auch Menzel gern das Dix-huitieme naturalisierte und

berlinisierte; die Wahltradition wird deutlich, weil als Grund-
lage der schönen Leichtigkeit des Zeichenstifts und des Pin-
sels eine große Genauigkeit und Ordnung, ein strenger Fleiß
und lebendige Selbstkritik erkannt wird. Was Meid macht,
sieht stets improvisiert aus; es ist aber alles mit Bedacht
gearbeitet.

Der Gesamteindruck ist der einer Romanze, die von
blauen Tagen und Nächten singt. Immer dahinschwimmend
in einer feinen Sinnlichkeit. Diese Kunst nur geistreich zu
nennen, wäre zu wenig. In ihrer Melodik ist Lebensgefühl,
ist nicht nur Reiz, sondern auch Richtigkeit. Der schöne
Vortrag ist um Wahrheit bemüht, er versteht Lebendiges zu
übertragen und zu gestalten. Die Skala, die Meid beherrscht,
hat nicht viele Stufen, sie ist begrenzt. Innerhalb dieser
Beschränkung aber sind die Wirkungen rein und ohne Disso-
nanzen, ist die Hand sicher und das Auge klar. Eine an-
geblich unzeitgemäße Kunst. Aber sie wirkt in keiner
Äußerung altmodisch oder überholt. Sie überzeugt — in
all ihrer Bescheidenheit — nach wie vor, obwohl sie dem
verkrampften Leben im heutigen Deutschland ein wenig so
gegenübersteht, wie Somoffs Kunst sich zu der Geistigkeit
des revolutionierten Rußlands verhält. Karl Scheffler.

HANS MEID, MONDNACHT. 1927

7,11
 
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