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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 8
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Deusch, Werner R.: Die Sammlung Spiridon - Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0360

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CARLO CRIVELL1 ANDREA DEL VERROCCHIO JOOS VAN CLEVE FRANCESCO COSSA

KREUZIGUNG. 0,78:0,58.1. MADONNA. 89:68 cm HEILIGE FAMILIE. 42,5:31,5cm HEILIGE LUCIA. 80:55,5 cm

AUS DER SAMMLUNG SPIRIDON, PARIS

DIE SAMMLUNG S PI RI D 0 N - PA RI S

I^\ie Versteigerung der Pariser Sammlung Spiridon, die für
Ende Mai von Paul Cassirer, Berlin, angezeigt wird,
darf zu den Ereignissen von internationaler Bedeutung auf
dem Gebiete des diesjährigen Berliner Kunstmarkts gerechnet
werden. Mit ihrer im letzten Jahre in Amsterdam versteigerten
römischen Schwestersammlung hat sie nur die Tatsache
gemein, daß das italienische Quattrocento zahlenmäßig am
stärksten vertreten ist, während sie dieselbe in der Qualität
der Hauptwerke und der Güte der Provenienzen bedeutend
überragt. Zeitlich am Anfang stehen vier kleine, stark von
Giotto beeinflußte Tafeln und zwei Bilder mit Szenen aus
dem Leben des heiligen Eligius von Taddeo Gaddi. Eine
Madonna mit Kind, die Lorenzo Monaco zugeschrieben wird,
ist so stark übermalt, daß sie erst nach gründlicher Reinigung
mit Sicherheit identifiziert werden kann. Meisterhaft ist das
Brustbildnis eines jungen Mädchens von Domenico Ghirlandajo,
den Tornabuoni-Fresken in Santa Maria Novella nahestehend,
und das charaktervolle männliche Porträt von Cosimo Roselli,
das von Venturi (VII, 1, 690 f.) gleichzeitig mit den Fresken
in Sant'Ambrogio in Florenz um 1485 datiert wird. Eine
dem Fra Filippo Lippi zugeschriebene Madonna ist in der
formalen Behandlung kaum fein genug, um eigenhändig zu
sein, dagegen dürfte die für Verrocchio in Anspruch ge-
nommene Madonna mit Kind und Engeln, wie ein Vergleich
mit den von Bode, Venturi Berenson u. a. mit Recht als
Frühwerke Botticellis bezeichneten gleichartigen Darstellungen
in Neapel, Paris und der Sammlung Gardner in Boston er-
weist, dem Oeuvre des jugendlichen Botticelli (um 1470—72)
zugewiesen werden. Von Tafelbildern der Florentiner Schule
wären noch die Madonna von Mainardi und einige Marien-
bilder von Neri di Bicci zu erwähnen. Unter den mittel-
italienischen Werken ragt die früher fälschlich Pollajuolo
genannte Madonna mit Kind aus dem Kreise des Piero dei
Franceschi, die Mariendarstellungen des Antoniazzo Romano
(Venturi VII, 2, 268 f.), des Matteo und Benvenuto di Gio-
vanni sowie die Predelle von Giovanni Boccati da Camerino
und die Stigmatisation des heiligen Franziskus von Fiorenzo
di Lorenzo besonders hervor.

Die oberitalienischen Schulen sind mit einigen Haupt-
werken repräsentiert. Allgemein bekannt die ehemals zu
einem Altarwerk gehörenden, prächtig erhaltenen Tafeln
mit der Darstellung der Heiligen Liberale und Lucia von
Francesco del Cossa, die deutlich die unter dem überragenden
Einfluß des Piero dei Franceschi stehende Frühperiode des
ferraresischen Meisters bezeichnen. Bartolomeo Vivarini ist
mit einem umfangreichen Polyptichon von 1490, Carlo Cri-
velli mit einer ausdrucksstarken Kreuzigung Christi, Giovanni
Bellini mit dem „Dogen Lionardo Loredano und seinen Be-
gleitern" (1507), wohl kaum in allen Teilen eigenhändig,
Bernardino Luini mit einer farbig sehr reizvollen heiligen
Agatha, Defendente Ferrari mit dem Altarbild der Krönung
Mariae vertreten.

Besonders reich ist die Sammlung Spiridon an bedeutenden
Cassonebildern, die etwa ein Fünftel des gesamten Bestandes
umfassen. An erster Stelle stehen die drei Tafeln mit der
Darstellung der boccaccesken Novelle des Nastagio degli
Onesti (.die vierte Tafel befindet sich im Besitz von Lady
Watney in London), die nach den Angaben Vasris auf das
Jahr 1487 datierbar sind und aus Casa Pucci in Florenz
stammen. Es handelt sich um eine Arbeit aus der Werkstatt
Botticellis, an der nach Berenson außer dem Meister selbst
Sellajo und Bartolomeo di Giovanni mitgewirkt haben. Von
Giovanni da Ponte die Truhenfront mit der Darstellung der
sieben freien Künste (aus dem Palazzo Toscanelli, Florenz),
ferner drei hervorragende Cassonebilder des Anghiarimeisters,
deren hohe Qualität von den beiden Cassoni des Parismeisters
und der Pollajuolo-Schule, letztere kunstgeschichtlich sehr
interessant, nicht ganz erreicht wird.

Den italienischen Werken schließt sich eine kleine An-
zahl niederländischer Arbeiten an, unter denen sich ein
Hauptwerk der Sammlung befindet: die um 1512 entstandene,
sich an Jan van Eycks Luccamadonna anlehnende Heilige
Familie des Joos van Cleve (Baldaß, Joos van Cleve, 1925,
Nr. 18), das Urbild der in vielen Museen anzutreffenden
Wiederholungen desselben Themas von der Hand des Meisters
oder seiner Schule. Werner R. Deusch.
 
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