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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 9
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Scheffler, Karl: Neue Wandbilder von Slevogt
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0395

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NEUE WANDBILDER VON SLEVOGT

A Slevogt hat zwei Wände eines großen Restaurations-
-L*saales, den der Architekt Paul Levi für das Berliner Kindl
am Kurfürstendamm gebaut hat, mil den Wandbildern ge-
schmückt, die wir hier reproduzieren. Er hat die alte, bereits
halb vergessene Technik des Sgraffito gewählt, die darin
besteht, daß die Wände mit einem dunkeln Putz überzogen
werden, über den dann, solange er noch frisch ist, eine
dünne Schicht hellen Putzes gebreitet wird. Auf diesen
Grund wird die Zeichnung übertragen und im Umriß so tief
eingekratzt (sgraffiare = kratzen), daß der dunkle Untergrund
zum Vorschein kommt. Es entsteht also eine dunkle Zeich-
nung auf hellem Grund oder, wenn die Putzschichten in
anderer Reihenfolge aufgetragen werden, eine helle Zeich-
nung auf dunkelm Grund. Das aus dem Italien des sech-
zehnten Jahrhunderts stammende Verfahren, das sehr wetter-
beständige Dekorationen zuläßt, wurde an den Fassaden
noch in den achtziger Jahren, wenn auch in sehr eklektizisti-
scher Weise, geübt. Dann kam es ganz ab.

Slevogt hat einen dunkelbraunen Grundputz und einen
hellgrauen Überputz gewählt. Seine Dekorationen — eine
Verherrlichung des Gambrinus, eine moderne Variante des
Silenzuges — wirken an den beiden Querwänden wie zwei
riesige Zeichnungen voller Erfindungsreichtum, Beweglichkeit
und Fülle. Wohltuend ist die Diskretion der Wirkung. Die
Dekoration bleibt in der Fläche, die Schwarzweißwirkung

überschreitet nicht die Grenzen des Architektonischen, so
frei Slevogt die Aufgabe auch behandelt hat. Es war zu
erwarten, daß Slevogt der ihm völlig neuen Technik neue
Möglichkeiten abgewinnen würde. Es ist ihm insofern ge-
lungen, als er die Umrisse nicht hart und schematisch ge-
zogen hat, sondern als er mit stärkerem und weicherem Druck
eine mehr handschriftliche Wirkung erzielt hat. Wenn die
historischen Sgraffitos immer ein wenig wie vergrößerte
Kupferstiche aussehen, so wird man hier an riesige Feder-
zeichnungen erinnert. Das Persönliche kommt am besten
an der hinteren Wand zum Ausdruck, dort wird Slevogts
eigene Hand am deutlichsten sichtbar (Abbildung Seite 368
und 369). Durchaus neu für diese Technik ist es, daß
Slevogt Schattierungen, Halbtöne zu erzeugen imstande war,
indem er die helle Putzhaut nur teilweise wegschabte.
Dieses ist unseres Wissens vorher nie versucht worden. Der
Gesamteindruck ist sehr glücklich; in einer widerspenstigen
Technik ist das Spontane, Improvisatorische und Nervöse,
das ein so wesentlicher Bestandteil des Slevogtschen Talentes
ist, erhalten worden.

So besteht der Gewinn nicht nur in einem bedeutenden
Wandschmuck, der jedermann zugänglich ist, sondern auch
in der Neubelebung einer alten Technik, die bisher als
starr galt und die hier doch eine ungeahnte Geschmeidig-
keit offenbart. K. Sch.

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