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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 9
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0398

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haben. Eine Generalrevision wäre dringend erwünscht. Der
Entschluß, die Berolina zu begraben — wenn auch vielleicht
nicht im wörtlichen Sinne —, wäre eine der wenigen lobens-
werten Taten der Berliner Kunstdeputation, die im übrigen
ihre jährlich 400000 Mark weiter zur Verschönerung der
Stadt mit Bildwerken wie der „Jagenden Nymphe" des Pro-
fessor Schott verwendet.

Muß man es immer wieder sagen, daß es notwendig
wäre, einen verantwortlichen Fachmann zu berufen, der über
die Verwendung öffentlicher Gelder zu wachen hätte? Der
Herr Oberbürgermeister Böß, der sich auf dem Gebiete der
Kunst nicht minder kompetent dünkt als weiland Wilhelm IL,
ist zwar von dem durch sein Drei-Millionen-Geschäft zu
neuem Leben galvanisierten Verein Berliner Künstler zum
Ehrenmitglied ernannt worden, aber wir zweifeln, ob seine
Kunstkennerschaft durch diese neue Würde wesentlich ge-
wachsen ist. Der Verein Berliner Künstler aber sollte be-
denken, daß ein Oberbürgermeister nur für fünf Jahre ge-
wählt, Ehrenmitgliedschaft aber für Lebenszeit verliehen
wird. Man sollte sparsamer damit umgehen und nur wirk-
liche Verdienste um die Kunst mit solcher Würde belohnen.

Über die verdienstlichere Tat des Vereins, über die von
ihm veranstaltete Ausstellung „Hundert Jahre Berliner Kunst"
wird an anderer Stelle dieses Blattes ausführlich berichtet.
Hier nur ein Wort zum Thema „Ausgrabungen", das auch
dieser Ausstellung als Leitmotiv dient. Es ist gewiß interes-
sant, einmal nachzuprüfen, wie es sich mit den Berühmt-
heiten von gestern verhält. Die Franzosen sprechen von
einer Zeit der depreciation, die ein Künstler vierzig Jahre
nach seinem Tode durchzumachen hat. Die Künstler, die
während der letzten Jahrzehnte des neunzehnten Jahrhunderts
tätig waren, befinden sich jetzt in dieser Periode der Tief-
schätzung. Es wird sich zeigen müssen, wer von ihnen
würdig ist, eine Auferstehung zu feiern. Die Ausstellung

erweist es noch nicht klar genug. Es ist manches um der
Freude des Ausgrabens willen mit ausgegraben worden, das
besser in der wohlverdienten Ruhe der Vergessenheit ge-
blieben wäre. Die Kunstwissenschaft in Ehren, man sollte
aber nicht übersehen, die Frage nach der Qualität zu stellen,
ehe man einem Gegenstand den Ehrennamen des Kunst-
werks zuerkennt. Beiläufig: dies gilt für alte ebenso wie
für neue Ausgrabungen.

Auch bei dem jüngsten Unternehmen zur Unterstützung
der notleidenden Kunst sollte dieser Grundsatz nicht außer acht
gelassen werden. Wenn daher für einen neu zu gründenden
Künstlerhilfsverein Geld gesammelt wird, sollte gleichzeitig
bekannt gegeben werden, welche Persönlichkeiten über die
Verwendung der eingehenden Gelder befinden werden. Auch
die Nationalgalerie ist eben dabei, einen Verein zu gründen,
der ihr neue Ankaufsmittel zuführen soll. Es wird den Geld-
gebern, die doch immer dieselben sind, vermutlich nicht
einleuchten, warum zwei Vereine zur gleichen Zeit entstehen
sollen, deren Ziele nicht ganz klar voneinander zu scheiden
sind. Beide Gründungen gehören organisch zusammen, und
wenn die eine nicht der anderen das Wasser abgraben soll,
so wäre es gut, sie beizeiten zu vereinigen, anstatt — wie
man munkeln hört — von dritter Seite noch einen Verein
mit nochmals dem gleichen Programm zu gründen.

Wir könnten von den Archäologen lernen, die nach außen
wie ein Mann zusammenstehen, und denen es darum gelingt,
für ihre doch eigentlich recht tote Wissenschaft wahre Gold-
gruben zu erschließen, nicht nur die Goldschätze der alten
Gräber, sondern auch die Geldquellen öffentlicher wie pri-
vater Hand. Die neue Kunst steht ein wenig aschenbrödel-
haft an den prunkvollen Marmorstufen des Pcrgamonaltars.
Sie sollte auch das Geheimnis erlernen, daß Einigkeit stark
macht.

Alius.

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