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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 11
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Winkler, F.: Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance
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Baum, ...: Hans Multscher
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0475

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zeit, das wie die anderen in Österreich entstand. Feuchtmayr
revidiert auf breiter Grundlage seine Apt-Forschungen. Halm
berichtet über die im Anschluß an seine Untersuchungen
vorgenommene Wiederherstellung der Fuggerkapelle, des
ersten Renaissance-Bauwerks auf deutschem Boden. Kris,
Melier, Feulner, Stöcklin teilen neue Werke der Daucher,
Kayser, Amberger usw. mit. Die vorzüglichen großen Ab-

bildungen machen das Buch zu dem wichtigsten Nachschlage-
werke über Augsburger Kunst neben den Vischerschen
„Studien". Robert Vischer, der mehr als Herausgeber der
Schriften seines Vaters Friedrich Theodor Vischer bekannt
ist, sind die Beiträge zum achtzigsten Geburtstage gewidmet,
eine dankenswerte Huldigung vor dem ausgezeichneten Kunst-
historiker. F. Winkler.

HANS MULTSCHER

Kurt Gerstenberg, Hans Multscher. Deutsche Mei-
ster, herausgegeben von Karl Scheffler und Curt Glaser. Insel-
Verlag, 1927.

Daß der Insel-Verlag dem größten Ulmer Meister, Hans
Multscher, einen eigenen Band gewidmet hat, dafür gebührt
ihm besonderer Dank. Kurt Gerstenberg hat sich der nicht
leichten Aufgabe, diese Monographie zu schreiben, mit Takt
gewidmet. Um das Hauptergebnis vorweg zunehmen: Mult-
scher ist für ihn, wie er sich selbst in seinen eigenen ge-
meißelten und gemalten Werken bezeichnet, Bildner und
Maler zugleich. In den Anfängen seiner Ulmer Tätigkeit
schuf er Steinfiguren, den Kaiser Karl mit den Schildknappen
und den Königen von Ungarn und Böhmen am Ulmer Rat-
haus, heute im Ulmer Museum, den Schmerzensmann und
den Kargaltar im Münster. Gerstenberg vermeidet, nach
Pfleiderers Vorgang, das Wort Altar und erweckt so die
irrige Vorstellung, daß die Nische nicht den Aufsatz eines
Altares gebildet habe, genau wie die Nische des Magda-
lenenaltares in Tiefenbronn und andere Beispiele des frühen
fünfzehnten Jahrhunderts. Für die von Gerstenberg vor-
gesehenen Stifterfiguren in der Größe der Heiligenstatuen
war in der Altarnische kein Platz. Alle diese Bildwerke aus
Stein sind im Stile völlig einheitlich. Daß auch das Modell
der Grabplatte für Herzog Ludwig den Gebarteten von Bayern
von Multscher gefertigt sei, will heute glaubhafter erscheinen,
nachdem es seit der Aufstellung dieser Hypothese nicht ge-
lungen ist, in Bayern selbst einen Meister zu finden, der
als Schöpfer des feinen Werkes in Betracht kommen könnte.

Es ist nicht schwer, Multschers Stil aus der Überlieferung
Sluters abzuleiten. Tatsächlich geht Gerstenberg auch diesen
Weg. Daß er als Beleg für seine Schlüsse auch Arbeiten
aus Nordfrankreich und dem Hennegau heranzieht, die, wie
es bei der beträchtlichen Entfernung zwischen Burgund und
diesen Gegenden nicht anders erwartet werden darf, einen
von der durch Sluter nach Dijon gebrachten Art recht ver-
schiedenen Stil zeigen, dürfte den Beweis für die burgun-
dische Schulung Multschers eher verwirren als fördern.

Den frühen Steinwerken gesellen sich Arbeiten aus Holz,
wie die Landsberger Maria und die verlorenen Schreinfiguren
des Wurzacher Altares. Überzeugend ist das Kapitel, in dem
Gerstenberg durch Nebeneinanderstellung des Kopfes der

Landsberger Maria und der gemalten Muttergottes aus der
Geburt Christi des Wurzacher Altares beweist, daß auch
die frühen Gemälde, die Flügel aus Wurzach in Berlin und
die Wolfegger Flügel, eigenhändige Arbeiten des Künstlers
sind. Nicht eindringlich genug jedoch ist die Darstellung
der oberschwäbisch-oberrheinischen Malerei unmittelbar vor
Multscher. Hier hätte Gerstenberg tiefer schürfen müssen.
Wichtige Beiträge zu dieser Frage, wie die Aufsätze von
Ilse Futterer über den Tennenbacher Altar und andere ober-
rheinische Arbeiten des frühen fünfzehnten Jahrhunderts,
und des Berichterstatters über den 1430 von einem Meister
von Ulm gefertigten Überlinger Hochaltar, im zweiten Jahr-
gang der „Oberrheinischen Kunst", sind Gerstenberg ent-
gangen. Ebenso ist, was Gerstenberg über die Bildnerkunst
aus dem Umkreise Multschers sagt, nicht ausreichend. Was
soll der Hinweis auf einige Werke angesichts der Hunderte
von Skulpturen, die aus der Zeit Zwischen 1440 und 1460
erhalten sind? Es wäre nötig, daß dieses gewaltige Material
einmal ähnlich systematisch zusammengestellt würde, wie
dies Gertrud Otto neuerdings für die Ulmer Bildnerkunst
des ausgehenden fünfzehnten Jahrhunderts vorbildlich ge-
leistet hat. Es wäre reinlicher gewesen, hätte sich Gersten-
berg auf die Anführung der Werke beschränkt, die in sicherem
Zusammenhang mit Multscher genannt werden können.

rirfreulich wird die Darstellung Gerstenbergs wieder,
wenn er sich einem gesicherten Werke, wie dem Sterzinger
Altar, zuwendet. Die Darstellung des plastischen Stiles von
den frühen Arbeiten zu der reifen Altersschöpfung ist un-
widerleglich, ebenso die Analyse der Flügel und ihre Zu-
weisung an einen selbständigen Gesellen, dem auch die Flügel
des Heiligkreuztaler Altares zugewiesen werden dürfen.
Richtig sieht Gerstenberg, daß die beiden Heiligenstatuen in
Rottweil in die Jugendwerke Multschers eingereiht werden
müssen und daher nicht zu diesen Flügeln gehören können.
Mit Recht wird der schönen Maria aus Bihlafingen im Ulmer
Museum ihr Platz in der Nähe der Sterzinger Maria zuge-
wiesen und die weitere Entwicklung der Bildhauerwerkstatt
dann noch bis zur Heggbacher Muttergottes verfolgt. Im
ganzen ein schönes und ausgereiftes Buch, das man nur
gerne von einigen Zufälligkeiten entlastet sehen möchte.

Baum.

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