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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 12
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Tietze, Hans: Die Moderne Galerie in Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0505

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VINCENT VAN GOGH, DIE EBENE VON AUVERS-SUR-OISE

DIE MODERNE GALERIE IN WIEN

VON

HANS TI ETZ E

"TXie Direktion der österreichischen Galerie hat sich durch
die Schaffung der beiden Museen in den Belvedereschlös-
sern einen guten museumstechnischen Kredit erworben; das
Barockmuseum gilt allgemein für ein besonders gelungener
Versuch, Inhalt und Rahmen eines Museums zu künstlerischer
Harmonie abzustimmen und auch in der Galerie des neun-
zehnten Jahrhunderts ist es vielfach geglückt, zwischen den
gegebenen Räumlichkeiten und den in ihnen aufgestellten
Kunstwerken eine Einheit herzustellen. Man durfte gespannt
sein, wie Direktor Haberditzl den sprödesten Teil seiner drei-
teiligen Aufgabe lösen, wie er die zeitgenössische Kunst zu
der musealen Darstellung bringen werde, mit der sich das
Programm der österreichischen Galerie rundet-

Das der neuen Galerie eingeräumte Gebäude, für dessen
Adaptierung die Wiener Museumsfreunde den größten Teil
der Mittel aufgebracht haben, ist die an das Barockmuseum an-
stoßende Orangerie des Belvedere; die Einbauten, die sie zu
Wohnzwecken erlitten hatte, mußten entfernt, die Barock-
fassade zum Teil wiederhergestellt werden. Der gegenwärtige
Galeriebau ist ebenerdig, kann aber ohne Schwierigkeit und
ohne historisches Bedenken um ein Stockwerk erhöht werden,
da das hohe Steildach ohnedies späte Zutat an Stelle eines
ursprünglich flachen Abschlusses ist. Zusammen mit dem einen

Flügel des unteren Belvedere, mit dem sie durch ein prachtvolles
schmiedeeisernes Gittertor am Schloßhof, einer anderen Prinz
Eugenschen Schöpfung, zusammenhängt, schließt die Orangerie
einen Teil des Parkes ab, der in die neue Galerie einbezogen
ist; mit diesem Statuengarten hat Haberditzl einen für seine
Art wieder besonders charakteristischen glücklichen Griff
getan. Der barocke Unterton ist festgehalten und zur Ver-
stärkung moderner Wirkung verwendet; es wird nicht nur
ein stimmungsvolles Ganzes geschaffen — im Sinn barocker
Dekoration —, sondern gleichzeitig jede einzelne Figur durch
Distanz und Atmosphäre gesteigert. Der Renoirschen Eva zum
Beispiel, die in der Mitte eines Wasserbeckens aufgestellt
ist — übrigens genau so, wie sie sich der Künstler selbst
dachte —, ist dadurch die Plumpheit der Erscheinung ge-
mildert, auch der „Freiheit" Maillols Schwung und Luftraum
vermehrt; sonst stehen hier noch auf den Rasenflächen Meu-
niers Lastträger, Rodins Eva, Gauls Eselreiter, Hallers abessini-
scher Knabe, am Spalier der Einfassung Stursas Kauernde, als
Blickziel beim Gartenende Müllners Reiter, also die künst-
lerisch am wenigsten bedeutende Figur am stärksten dekorativ
verwertet. In dem geschlossenen Höfchen, das zwischen Garten
und Galerie vermittelt, hat Anton Hanaks „letzter Mensch"
den festen Halt bekommen, dessen die Figur bedarf.

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