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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 27.1929

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Heft 12
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Deusch, Werner R.: Die Sammlung Eduard Simon
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https://doi.org/10.11588/diglit.7608#0522

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JAN GOSSAERT, MADONNA MEISTER DER MAGDALENENLEGENDE BOTTICELLI, MADONNA
auf holz. 38: 26,5 cm BILDNIS, auf holz. 38 :27 cm auf holz. 76 :49,5 cm

alle bilder auf seite 493 und 494 aus der sammlung eduard simon, berlin. versteigerung am io. und ii. oktober bei paul cassirer, berlin

DIE SAMMLUNG EDUARD SIMON

A ^"it der Versteigerung der Sammlung des kürzlich ver-
storbenen Eduard Simon, die von Paul Cassirer und
Hugo Helbing für den 10. und n. Oktober angekündigt wird,
verliert Berlin seine letzte repräsentative Sammlung alter
Kunst, die, wie die Sammlung James Simon, untrennbar mit
dem Aufbau unserer staatlichen Museen und mit dem Namen
Wilhelm von Bodes, unter dessen universalen Gesichtspunkten
und tatkräftiger Mitwirkung sie entstanden war, verbunden ist.
Das will, obwohl die Sammlung eine Reihe der prominentesten
Künstlernamen auf allen Gebieten aufweist und an Qualität
das Erlesenste und Gesiebteste darstellt, was in den letzten
Jahren auf dem Kunstmarkt auftauchte, nicht besagen, daß
sie im Grunde unlebendig und kunsthistorisch orientiert war;
es bezeichnet nur die Gesamteinstellung des Sammlers, für
den die Künste der Vergangenheit, und zwar vorwiegend die
romanische Kunst, angefangen von der italienischen Früh-
renaissance und endend bei der venezianischen und fran-
zösischen Kunst des achtzehnten Jahrhunderts, die bewußte
geschmackliche Grundlage eines individuellen Wohnstils
geworden ist. Mit der Auflösung dieser Sammlung ver-
schwindet ein Ganzes, eine organische Einheit, die den
Sammlungen jüngeren Datums unbekannt ist. Rahmen für
das Einzelwerk war nicht nur das schöne, von Messel er-
richtete Haus, eine der glücklichsten Schöpfungen dieses
Architekten, sondern vor allem jedes Einzelwerk, weil ein
Stück organisch das andere bedingte, die Wirkung jedes
Kunstwerkes von dem Vorhandensein der übrigen abhing,
weil, angefangen vom kleinsten Gebrauchsgegenstand, von
der Türklinke und der Türe selbst über die Wandverkleidung,
die Deckentäfelung, die Inneneinrichtung bis zum selb-
ständigen zweckfreien Kunstwerk, dem Gemälde oder dem

Anmerkung der Redaktion: Das tragische Ende Eduard Simons,
der sich erschossen hat, weil er den Zusammenbruch seines Vermö-
gens und seiner Kunstsammlungen nicht überleben wollte, bildet den
grausigen Auftakt zu den Versteigerungen der Herbstsaison.

plastischen Bildwerk, jedes Stück mit unendlicher Liebe und
Geduld langsam dem großartigen Mosaik einverleibt wurde.
So ist der unersetzliche Verlust dieser Sammlung, deren
umfangreicheres Gegenstück in Paris, das Museum Jacquemare-
Andre, jedem Besucher das intime Erlebnis reinsten Kunst-
genusses vermitteln konnte, ganz besonders zu bedauern:
es gibt kein Museum der Welt, in dem die hier vereinten
Stücke ihr wahres inneres Leben so reich werden entfalten
können wie im Rahmen der bisherigen, geschlossenen Ein-
heit, und eine Aufzählung auch nur der Hauptwerke der
Sammlung bedeutet im Vergleich zu dem pulsierenden Leben,
das bisher diese künstlerischen Schöpfungen zusammenhielt,
nichts als eine kalte, informierende Statistik.

So soll hier nur auf einige der Hauptobjekre hingewiesen
werden, die dieser Sammlung ihr Gepräge verleihen. Unter
den italienischen Gemälden des fünfzehnten und sechzehnten
Jahrhunderts stehen an erster Stelle die köstliche Anbetung
der Könige von Giovanni di Paolo, voll zartester Lyrik und
melodisch schwingender Musikalität, und die Madonna mit
Kind von Botticelli, die trotz ihrer bis in Kleinigkeiten
gehenden Übereinstimmung mit der thronenden Madonna
des Kaiser-Friedrich-Museums (1485) als zweifellos eigen-
händige Arbeit des Meisters betrachtet werden darf, wohin-
gegen die Ausführung der Anbetung, des Bruchstückes eines
größeren Altarbildes, wohl unter Mitwirkung eines Schülers
geschah. Unendlich reizvoll die frühe Madonna des Bar-
tolommeo Vivarini, der sich andere Marienbilder von Bra-
mantino und Andrea del Sarto anschließen. Der besonderen
Vorliebe des Sammlers für das repräsentative Bildnis ver-
dankt die stattliche Reihe hervorragender Porträts der Hoch-
renaissance und des achtzehnten Jahrhunderts ihre Entstehung.
Von der jungen, Bugiardini zugeschriebenen Florentinerin
und dem monumentalen Bildnis des Lorenzo Cibo von Bronzino
über den herben und ernsten Männerkopf des Meisters der
Magdalenenlegende zu den höchsten Persönlichkeitswert

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