Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930
Zitieren dieser Seite
Bitte zitieren Sie diese Seite, indem Sie folgende Adresse (URL)/folgende DOI benutzen:
https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0183
DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:Ganz, Hermann: Jean Baptiste Chardin: zum 150. Todestag
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0183
JEAN BAPTISTE CHARDIN, STILLEBEN
SAMMLUNG HENRI DE ROTHSCHILD, PARIS
JEAN BAPTISTE CHARDIN
ZUM i 50. TODESTAG
VON
HERMANN GANZ
T^s war eine noble Ausstellung im neu erbauten Theärre
' Pigalle, die daran erinnerte, daß sich am 6. Dezember
Chardins Todestag zum 150. Male jährte. Der Finanzmann
dieses jüngsten, modernsten Theaters von Paris, das einer
gleichnamigen Galerie (um einem dringenden Bedürfnis ab-
zuhelfen) das Leben gab, der auch als Bühnenautor tätige
Baron Henri de Rothschild war in der beneidenswerten Lage,
die Mehrzahl der Bilder — über dreißig Nummern — bei-
zusteuern — darunter das silbrige „Mädchen mit dem Feder-
ball", das Glanzstück der Ausstellung. Von andern betei-
ligten Pariser Sammlern sei nur Arnold Seligmann erwähnt,
da das gestochene Oeuvre, das er zur Verfügung stellte,
besonders reiche Aufschlüsse bot. Aus dem Nationalmuseum
in Stockholm stammte unter anderen die rembrandthafte
Morgentoilette, die einst auf Bestellung des schwedischen
Gesandten Tessin in Paris entstanden ist, aus Potsdam die
in der Farbe etwas rissige „Pourvoyeuse", aus dem Kaiser-
Friedrich-Museum in Berlin zwei Stilleben, worunter we-
nigstens das eine, mit Topf, Flasche und Lauch, zu den voll-
kommensten Stilleben überhaupt gehört (bezeichnenderweise
von mittlerem Format). Unter solchen Umständen konnte
oder wollte auch der Louvre nicht zurück bleiben, obwohl
das Ministerium der schönen Künste die Bewegungsfreiheit
der französischen Museen gerade in der letzten Zeit einer
empfindlichen Beschränkung unterzogen hat. Einer Beschrän-
kung, die allerdings notwendig geworden war, da man ge-
wisse Meisterwerke in der Nachkriegszeit kaum mehr am
gewohnten Platz zu Gesicht bekam. Der Louvre lieh also
das Tischgebet der Sammlung La Caze her, von dem schon
die Brüder Goncourt die zutreffende Bemerkung machten,
daß die Vollendung der Handschrift darin das Feuer der
Empfindung erkältet hat. Immerhin ergab sich im ganzen
159
SAMMLUNG HENRI DE ROTHSCHILD, PARIS
JEAN BAPTISTE CHARDIN
ZUM i 50. TODESTAG
VON
HERMANN GANZ
T^s war eine noble Ausstellung im neu erbauten Theärre
' Pigalle, die daran erinnerte, daß sich am 6. Dezember
Chardins Todestag zum 150. Male jährte. Der Finanzmann
dieses jüngsten, modernsten Theaters von Paris, das einer
gleichnamigen Galerie (um einem dringenden Bedürfnis ab-
zuhelfen) das Leben gab, der auch als Bühnenautor tätige
Baron Henri de Rothschild war in der beneidenswerten Lage,
die Mehrzahl der Bilder — über dreißig Nummern — bei-
zusteuern — darunter das silbrige „Mädchen mit dem Feder-
ball", das Glanzstück der Ausstellung. Von andern betei-
ligten Pariser Sammlern sei nur Arnold Seligmann erwähnt,
da das gestochene Oeuvre, das er zur Verfügung stellte,
besonders reiche Aufschlüsse bot. Aus dem Nationalmuseum
in Stockholm stammte unter anderen die rembrandthafte
Morgentoilette, die einst auf Bestellung des schwedischen
Gesandten Tessin in Paris entstanden ist, aus Potsdam die
in der Farbe etwas rissige „Pourvoyeuse", aus dem Kaiser-
Friedrich-Museum in Berlin zwei Stilleben, worunter we-
nigstens das eine, mit Topf, Flasche und Lauch, zu den voll-
kommensten Stilleben überhaupt gehört (bezeichnenderweise
von mittlerem Format). Unter solchen Umständen konnte
oder wollte auch der Louvre nicht zurück bleiben, obwohl
das Ministerium der schönen Künste die Bewegungsfreiheit
der französischen Museen gerade in der letzten Zeit einer
empfindlichen Beschränkung unterzogen hat. Einer Beschrän-
kung, die allerdings notwendig geworden war, da man ge-
wisse Meisterwerke in der Nachkriegszeit kaum mehr am
gewohnten Platz zu Gesicht bekam. Der Louvre lieh also
das Tischgebet der Sammlung La Caze her, von dem schon
die Brüder Goncourt die zutreffende Bemerkung machten,
daß die Vollendung der Handschrift darin das Feuer der
Empfindung erkältet hat. Immerhin ergab sich im ganzen
159