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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 4
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Glaser, Curt: Der Reichstags-Anbau
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0195

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MAX KAUS, MÄDCHEN MIT TURBAN

AUSGESTELLT IN DER BERLINER SEZESSION

DER REICHSTAGS-ANBAU
TAurch das Raumbedürfnis des Reichstages, für den schon
seit einigen Jahren ein Erweiterungsbau dringend ge-
fordert wird, ist die Frage der künftigen Umgestaltung des
Platzes der Republik und damit im Zusammenhang die Frage
einer Neuplanung des gesamten Regierungsvierteis, die
Mächler zuerst angeregt hat, aus dem Stadium städtebau-
licher Phantasien in die Phase ernsthafter Erwägungen ge-
rückt worden. Es war ausdrücklich gefordert, die Teilnehmer
an dem Wettbewerbe sollten den demnächst zu errichtenden
Anbau im Zusammenhang einer der späteren Zukunft vor-
behaltenen Umbauung des ganzen Platzes darstellen, und
man darf diesem Gedanken beipflichten, auch wenn man
zwischen der Kühnheit der auf geduldigem Papier entworfenen
Bauphantasien und der Finanznot Deutschlands, die unsere
Reichsboten mehr bedrängen sollte als die Raumnot ihres
Hauses, traurige Vergleiche zu ziehen sich schwer enthalten
kann.

Wie die neuartige Aufgabestellung als ein erfreuliches
Ergebnis der in Vorträgen und Ausstellungen betriebenen
systematischen Aufklärungsarbeit der fortschrittlichen Archi-

tekten zu begrüßen ist, so kann man in der Anlage der
Projekte den endgültigen Sieg der neuen Baugedanken fest-
stellen. Jede Stilarchitektur ist verpönt. Man baut Büro-
häuser mit nüchtern sachlichen Fassaden. Nahezu alle Teil-
nehmer an dem Preisausschreiben sind sich darin einig, daß
man Wallots Architektur nicht weiterführen kann, sondern
ihr einen schmucklos zeitgemäßen Bau angliedern müsse.
Nur als Kuriosität sei erwähnt, daß Karl Wach das alte
Haus aller seiner Aufbauten und Türme berauben will,
während andere Architekten nur die Siegessäule wegräumen,
sie ein Stück nach Norden verschieben, um eine freie Platz-
fläche zwischen Reichstag und Krolloper zu gewinnen.

Dieser Platz und seine künftige Umbauung ist das eigent-
liche Thema des Wettbewerbes. An brauchbaren Grundriß-
lösungen fehlt es nicht, wenn man auch bei den meisten
das Bedenken nicht unterdrücken kann, daß der Platz am
Ende klein wirken wird. Das wichtigste ist aber die Frage
der Gestaltung der Platzwände. Die Zurückhaltung, die da
geübt wird, erscheint für diese größte, repräsentative Auf-
gabe des neuen Deutschland nicht angängig. Zwischen
einem Bürohause und einem Regierungsgebäude, zumal wenn

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