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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 28.1930

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Heft 7
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Tietze, Hans: Anton Faistauer
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https://doi.org/10.11588/diglit.7609#0327

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A. FAISTAUER, LANDSCHAFT

MUSEUM DER STADT ULM

ANTON FAISTAUER f

VON

HANS TIETZE

' | 'iefer erschüttert als sonst an vorzeitigem Grabe stehen
die geistigen Menschen Österreichs an der Bahre Anton
Faistauers, eines der sehr wenigen Maler von heute, deren
Leistung in- und ausländische Urteiler vom Fortbestehen
uralter bodenständiger Kunstbegabung zu überzeugen ver-
mochte. Tiefer erschüttert, weil wir uns diesem mit 42 Jah-
ren Gestorbenen gegenüber schuldig fühlen; es ist keiner
unter uns, der das Phänomen dieses Daseins gerecht und
wohlwollend beurteilt, der nicht mit der brutalen Selbst-
sucht des Gesunden hier unerbittlich jene Vollendung ge-
fordert hätte, die der Todgeweihte versagte. Als ich vor
einigen Monaten anläßlich der Eröffnung der Modernen
Galerie in Wien an dieser Stelle von den vier Künstlern
sprach, die in der Generation der Vierzigjährigen die Stützen
der österreichischen Malerei sind, habe ich die wehleidig
verliebte Hingabe an die Dinge die Form genannt, in der
sich die von allen durch den Krieg erlittene Knickung des
Wachstums gerade bei Faistauer äußere. Er hat diese
Charakteristik, als ich ihn zum letztenmal sah, mit der ihm
eigentümlichen Lebhaftigkeit aufgegriffen; ja, er sei weh-
leidig geworden und scheue nichts mehr als die schmerz-

liche Berührung mit den Dingen — auch in der Kunst.
Dieses Zugeständnis an ein Urteil, in dem ein Vorwurf von
Bescheidung als Unterton mitschwang, erhält tieferen und
rührenderen Sinn, seit der Tod den Schlüssel dieses unver-
standenen Lebens ausgeliefert hat; nun bricht aus dem ein-
bekannten Bedürfnis nach Ruhe ergreifend die tiefe Sehn-
sucht des Todbestimmten nach einer Spanne halkyonischen
Glücks; er brauchte nach einem von viel Bitternis erschwerten
Dasein eine Frist ungetrübter Sonne vor der ewigen Nacht.
Im untersten Instinkt seines Wesens muß er um sein Ge-
schick — das ja häufiges Siechtum seit seinen Jünglings-
jahren voranzeigte — gewußt haben; was seine Mensch-
lichkeit dunkel und bisweilen zweideutig erscheinen ließ,
entschleiert sich heute als Ausfluß eines ihm anbefohlenen
Lebenstempos. Der ungeheure Ehrgeiz, der schonungslos
über fremde Interessen hinweggehen konnte; das überreizte
Verantwortlichkeitsgefühl, das er der ganzen zeitgenössischen
Kunst seines Heimatlandes entgegentrug; die harte Forde-
rung an die anderen, die er zu einer mit Inbrunst geglaubten
„schönen Malerei" zwingen wollte. Viele haben hier ein
übermäßiges Selbstbewußtsein zu finden geglaubt; der äußere

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