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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 2
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Grosz, George: Lebenserinnerungen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0085

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LEBENS ERINNERUNGEN

VON

GEORGE GROSZ

II

Wir waren sehr gut befreundet, wir tauschten
unsere Meinungen aus, und da er erfahrener
und belesener war als ich, so war meine Bekanntschaft
mit ihm für mich sehr anregend. Er machte mich
damals aufmerksam auf Gustav Meyrink und brachte
mich so auf eine gewisse Sorte phantastisch-dämo-
nischer Schriftsteller. Ich las alle von vorn bis
hinten, von Poe bis Hans Heinz Ewers, dessen
Alraune damals gerade das Buch der Saison war,
das meistgelesenste in den Leihbibliotheken, und
eine Auflage wie Remarque hatte. Wir kritisier-
ten auch unsere Zeichnungen gegenseitig. Er
machte merkwürdige Zeichnungen in der ihm
eigenen Mischtechnik, die als Federzeichnung be-
gann und in Wasserfarbe und Pittkreide endete.
Meistens waren es traumhafte, ornamentale Szenen,
die er zu Papier brachte. Mit sonderbaren Wesen
bevölkert, halb Vogel-, halb Spinnenmenschen, in

sehr perspektivisch verzerrten Linien und ge-
schmackvoll raffinierten Farben. Eine etwas dilet-
tantische Genialität, eine gewisse, von ihm selbst
gewollte Krankhaftigkeit lag in allem, was er
machte.

Oft kamen wir auch hart aneinander, denn er
war eigentlich ein träumerischer, abwegiger, sehr
stark zum Sonderlich-Absurden neigender Mensch,
der eben seine gewissen Verkehrtheiten noch be-
sonders hegte und pflegte, ich war bei aller an-
geborenen Neigung zum Phantastischen und Gro-
tesken doch von einem sehr betonten Sinn für die
Wirklichkeit im plattesten Sinne. Gewiß, ich machte
gelegentlich ganz gern so einen, sagen wir mal
Ausflug ins Irreale mit, aber letzten Endes sieg-
ten dann doch mein Hang zur Skepsis und meine
Neigung zum mir sicherer dünkenden Alltag, und
wupps stand ich wieder auf den vier Füßen mei-

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