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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 5
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Eckstein, Hans: Josef Scharl
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Beenken, Hermann: Kunstwissenschaft und Expertise, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0240

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ten Zusammenklangs der pastos aufgetragenen Farben ver-
mögen Photographien allerdings kaum eine rechte Vorstellung
zu vermitteln.

Scharls Zeichnung ist kein Studienwerk im Dienste des
gemalten Werks. Sie tritt ihm als gleichwertige Kunstäuße-
rung zur Seite, dem gleichen Lebensblick, dem gleichen
Verhalten zur Welt, dem gleichen Menschtum entstammend.
In ihr bekundet sich Scharls Intensität physiognomischer
Beobachtung, ja wahre Besessenheit von physiognomisch

aufreizender Gebärde, seine herbe, viel mehr an alte ober-
deutsche Meister als an van Gogh gemahnende Ausdrucks-
drastik am deutlichsten. Das Zeichnerische enthält die Stärke
seines Gestaltungsvermögens. Es fehlt Scharls Zeichnung das
Schneidende, Enthüllungssüchtige, der heiße moralische Eifer
der Groszschen Zeichnung durchaus; an linearer Prägnanz,
plastischer Formphantasie, bildhafter Prägsamkeit, gewiß aber
auch anWirklichkeitsgehalt und Lebensfülle steht Scharls Zeich-
nung dem Werk jenes großen Zeichners durchaus nicht nach.

JOSEF SCHARL, DER TOTE

MIT ERLAUBNIS VON I. B. NEUMANN UND GÜNTHER FRANKE, MÜNCHEN

KUNSTWISSENSCHAFT UND EXPERTISE

Ein Fall wird hier aus mehreren, die ähnlich liegen, nur
deshalb herausgegriffen, weil er den Vorzug der Deut-
lichkeit hat. Persönliches und die psychologische Seite des
Sonderfalles sind vollkommen gleichgültig. Die Frage der
Gutgläubigkeit steht nicht zur Erörterung, psychologisch ist
alles verfließend. Eine Grenze aber, ein Hüben und Drüben
wird sichtbar, wenn die Frage: cui bono gestellt wird. Wie
Feuer und Wasser scheiden sich hier der Wille zu reiner Erkennt-
nis und der Wille zu etwas, das nicht mehr Erkenntnis ist.

Im Jahre 1909 hat Georg Gronau eine Monographie über
die Bellini erscheinen lassen, die dem Stande der damaligen
Kenntnis entsprechend, über die Grenzen des Oeuvres und
die Entwicklung der Maler wertvolle Auskünfte gab. Seit-
dem hatte der Verfasser Gelegenheit, eine Fülle weiterer,
mehr oder weniger bellinesker Werke kennen zu lernen, die
er und andere bereits großenteils in Büchern und Aufsätzen

publizierten. Der Band der „Klassiker der Kunst", den Gronau
1930 über Giovanni Bellini erscheinen läßt, zeigt Altbekann-
tes und Neuhinzugekommenes versammelt. Er ermöglicht ein
Urteil darüber, wie jene Erweiterung der Kenntnis auf die
kritische Stellungnahme gewirkt hat.

Wir stellen fest, daß das Werk des Meisters mehr als verdrei-
facht ist. Nicht nur neue Funde, sondern auch längst bekannte
Bilder, die 1909 als Schulweik oder fraglich behandelt oder
gar nicht erst diskutiert wurden, gelten 1930 uneingeschränkt
als Bellini. Es ist das Recht eines jeden, von der Skepsis
zur Bejahung zu kommen, und es gibt offene Fragen, deren
Lösung man sich so oder so denken mag. Aber es wirkt er-
schreckend, zu sehen, wie die besonnen kritische Position
von 1909 hier einem hemmungslosen Bejahen eingeräumt
ist, wie beinahe alles, was je für Bellini erklärt wurde, was
in seinem Umkreis steht und sich nicht zufällig einem ande-

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