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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 6
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Göpel, Erhard: Graphikmarkt im Frühjahr
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0289

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GRAPHIKMARKT IM FRÜHJAHR

E R II A R D GÖPEL

und»

eine"1111

lie Ergebnisse der Herbstversteigerungen haben die Ak-
tivität der großen Händler des Graphikgebietes nicht zu
lähmen vermocht, soviel geht schon heute aus den Ankündi-
gungen der einzelnen Häuser hervor. Die schwierige Zeit hat
sogar manche Sammlungen — auch staatliche — verkaufsreif
gemacht, an die sich bisher kaum der kühnste Traum eines
Auktionshauses wagte. Die Folge ist, daß dem Angebot nach
der Markt belebter als je sich darstellt.

Die Liste der Boernerschen Versteigerungen ist selten so
lang gewesen, wie dieses Frühjahr, wo die Hoffnung auf
Amerikaner nicht einmal so stark mitsprechen kann, wie sonst
im Frühling. Sieht man die zum Verkauf stehenden Bestände
bei Boerner ein, so ist man noch mehr überrascht, über-
rascht von der Frische der Erhaltung, die den Graphiklieb-
haber, da sie immer seltener wird, so leicht besticht. Ein
W under in dieser Hinsicht sind besonders die Zeichnungen
aus der Eremitage, die die Russen versteigern lassen.

Die Russen helfen sich vorläufig auch hier mit einer Ab-
art des Dublettenbegriffes, indem sie von den Meistern, von
denen sie viel besitzen, einiges abgeben. Da Preise aber
heute nur für Qualitäten zu haben sind, so ist vieles Gute
dabei. Uns erinnert diese Auslegung des Begriffes Dublette
ein wenig an jene Don Quichoterie einer Sammlung, die auch
nur Dubletten verkaufen durfte, aber diese Bestimmung so aus-
legte, daß sie den ersten Zustand RembrandtscherRadierungen
weggab und den fünften ausgedruckten Zustand behielt.

Die französischen Zeichnungen aus Leningrad entstammen
jener Zeit, in der unter Katharina II. die Beziehungen zu
Frankreich besonders eng waren, Männer wie Diderot zu den
Agenten der Kaiserin gehörten, und die Akademie ihre Künst-
ler aus Frankreich holte. Aus der ehemaligen Sammlung der
Akademie kommen denn auch einige besonders schöne Bei-
spiele der Zeichenkunst des Greuze, Studien nach der Natur
von großer Freiheit der Technik und Frische der Auffassung,
auf die noch ausführlicher hingewiesen werden soll. Von
Watteau sieht man die Studie einer weiblichen Figur, die
allen Charme seiner Frauengestalten hat, dabei aber noch
gestraffter und naturnäher als die Dame auf dem Potsdamer
Bild, zu dem sie verwendet wurde, wirkt („L'amour paisible",
Neues Palais). Die Wiederholung der Kopfes gibt dem Blatt
einen ganz eigenen Rhythmus, den im Original die drei
Kreiden-Technik — Rubens! — und der dunklere Ton des
Papieres etwas mildern, weiter von Watteau ein später von
Hucquier radierter geistreicher Dekorationsentwurf. Von
Fragonard liegen zwei römische Ansichten vor, von
großer Kühnheit der Auffassung (Perspektive!) und wunder-
voller warmer Kraft des Rötels namentlich die abgebildete
l'empelansicht. Von Boucher mehrere Zeichnungen galanter
Erfindung; besonders ein Blatt („Frau an der Quelle",) hat die
krause Kraft des Striches, die den skizzierenden Blättern des
Boucher eigen ist. Hubert Robert — Flußtal mit Brücke —
und ein glänzender Pernet beschließen die Reihe der fran-
zösischen Zeichnungen, die so eindrucksvoll wird, weil die
Zeichnungen von der gleichen Unberührtheit und Frische sind,
die man auf der vorigen Frühjahrsversteigerung an den Farb-
stichen russischer Herkunft bewunderte. Von diesen liegen
diesmal etwa hundert englische Blätter vor; besonders reiz-
voll im zusammenstimmenden Gelb und Blau die Mrs. Ben-
well von Ward nach Hoppner.

Aus der Sammlung Massaloff im Moskauer Museum kommt
eine kleine Kollektion holländischer Zeichnungen zum Ver-
kauf, dabei Zwei Blätter von Doomer, „Ruinen" von Ruisdael,
einige interessante Blätter der Rembrandtschule.

Die alten Meister werden wieder einen so starken Druck-
graphikkatalog wie öfter in den letzten Jahren ergeben. Den
wichtigsten Beitrag liefert eine deutsche halböffentliche Samm-
lung, dieser entstammen namentlich einige italienische Primi-

tive — breitrandige Mantegnas —, die grotesken Buchstaben
y und p vom Meister E. S. und dessen große Patene mit den
Darstellungen der Leiden Christi.

Ein deutscher Sammler, dessen (j_uellen teilweise die
Boernerauktionen der Xachkriegsjahre, aber auch der sonstige
Handel war, trennt sich von seinem Besitz an alter deutscher
und niederländischer Graphik — Dürer, Kleinmeister, Rem-
brandt. Aus holländischem Besitz schiebt sich die Rembrandt-
sammlung Dr. van Moll-Arnheim ein, die ein Rembrandt-
werk mittlerer Qualitäten enthält, dabei die „Drei Bäume"
in einem guten, aber schon etwas trockenen Druck und die
„Drei Hütten".

Die Erben der Frau Blasius in Braunschweig, an deren
wenig bekannten Dürerzeichnungen man sich auf der Dürer-
ausstellung in Nürnberg erfreute, geben in die Auktion die
Stiche Dürers, die einen Teil der Hausmannschen Dürer-
sammlung ausmachen. Hausmann, dessen Handbuch der
Dürergraphik man noch heute hin und wieder wegen seiner
Angaben über Wasserzeichen zitiert findet, besaß namentlich
„Adam und Eva", in einem tiefen, unberührten Abdruck,
dessen (Qualität man bei Boerner mit einem anderen etwas
schärferen und im Rand weniger knappen Exemplar anderer
Herkunft vergleichen kann. Eine Sammlung von Dürer-
holzschnitten aus anderer Quelle ermöglicht den besonderen
Katalog eines fast kompletten Dürerwerkes.

Ein vierter Katalog bringt deutsches neunzehntes
Jahrhundert, eine Chodowiecki- und eine Menzel-
sammlung aus Davidsohns scheinbar unerschöpflichem Erbe,
Zeichnungen und Graphik von Klein und Erhard — die sehr
kompletten Sammlungen ihres Biographen C.Jahn —, Ludwig
Richter und Nazarener-Zeichnungen. — Nach diesem weit
gefaßten Programm wird man einen dreimaligen W'echsel der
Auktionsteilnehmer in den Tagen vom 27.—30. April vor-
aussagen können. Für die alte Graphik das „übliche" Boerner-
publikum, für das neunzehnte Jahrhundert Museen und spe-
zielle Sammler, für das Russengut die internationalen Zeich-
nungshändler und die so lebhafte Gruppe der Pariser Händler.
Auf diese letzteren darf der Verkäufer am ehesten Hottnungen
setzen, da augenblicklich in Paris der Handel noch am leben-
digsten ist.

Die großen Schweizer Firmen fahren in ihrer ruhigen,
einen noch immer festen Abnehmerkreis voraussetzenden
Art des Angebotes fort. Gilhofer & Ranschburg-Luzern
geben drei umfängliche Kataloge heraus. Beginnend mit
einem Katalog Ornamentstiche (seltene Franzosen und Nieder-
länder), die eine Spezialität dieses Hauses werden, lassen sie
einen Portraitkatalog und einen ausführlicheren Katalog alter
und neuer Graphik folgen.

Gutekunst & Klipstein-Bern geben nach ihrem kürz-
lichen ausgedehnten Katalog (fünfzehntes bis neunzehntes
Jahrhundert), sehr erfreulich durch seine präzisen Druck-
qualitätsbezeichnungen, die jeder Nachprüfung standhielten,
ein Verzeichnis von Daumiergraphik aus. Die seltenen Probe-
drucke werden durch die frühen Ilauptblätter und ein ganz
komplettes Exemplar der seltenen Zeitschrift „Caricature"
ergänzt.

Holl st ein & Pup p e 1-Berlin kündigen für Ende April
ebenfalls eine umfängliche Versteigerung alter Graphik an.
Die Versteigerung wird eine große ausländische Handzeich-
nungssammlung und eine Kupferstichsammlung aus einem
deutschen Schloß enthalten.

Von Hausmann, dem Dürer-Sammler, erzählt man, daß er
1806, als König Jerome eine Dürer-Sammlung der Braun-
schweiger Herzöge auflöste, den Grundstock seiner Sammlung
gelegt habe. Die Entwicklung des Marktes wird davon ab-
hängen, ob in einer Zeit ähnlichen Übergangs entschlossene
Liebhaber die Gelegenheiten nützen.

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