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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 29.1931

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Heft 8
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7610#0359

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UN ST AUSSTELLUNGEN

WIEN

Die Ausstellung „europäischer Pla-
stik" im Ilagenbund ist ein verdienst-
voller Versuch und eine bedeutende
Anregung für Wien, wenngleich das
weitgespannte Programm in der Aus-
führung mancherlei Beeinträchtigung erfahren hat; der
Zufall der Erreichbarkeit und die Rücksicht auf die Kosten
haben die Ansätze zu einer wirklichen Übersicht aufgehoben
und eine richtige Verteilung der Akzente verhindert. Von
Lebenden sind Barlach, Kaller, Kolbe, Sintenis, Fiori, Maillol,
Despiau, Mestrovic, Minne, von jüngst Verstorbenen Lehm-
bruck und die beiden Tschechen Stursa und Gutfreund ent-
sprechend vertreten, von älteren Künstlern Barye, Rodin,
Degas, Renoir, Max Klinger hinreichend oder übermäßig
vorhanden. Malerplastik und malerische Plastik überwiegen,
manche Werke erscheinen in einem minderen Material, als
sie gedacht waren; die Grenze Zwischen Produktion und Re-
produktion schwimmt bisweilen. Aber selbst diese Mängel
vermögen ein wenig verwöhntes Publikum auf das Echte
und Vollgültige zu stoßen. —

Pädagogik treibt auch eine hübsche kleine Ausstellung der
Österreichischen Galerie, die den Wiener Salon von vor hun-
dert Jahren rekonstruiert; „Kunstwerke, öffentlich ausgestellt
im Gebäude der österreichisch kaiserlichen Akademie der bil-
denden Künste bey St. Anna im Jahre 1830," werden, so weit
erreichbar, nach dem alten Katalog und mit der alten Nume-
rierung in drei Zimmern gezeigt; um den Eindruck des wieder-
gekehrten Gestern zu vervollständigen, sind dem Umdruck des
alten Katalogs noch ein paar Rezensionen von anno dazumal
angehängt. So sehen wir die Ausstellung mit den Augen von
heute und von damals.

1830 war, wie Ilaberditzl im Vorwort zum Katalog anführt,
ein bedeutsames Jahr für Wien; „um diese Zeit befreite
sich die Alt-Wiener Malerei zu klarer Wirklichkeitsanschauung
in den Grenzen eines bürgerlichen Milieus. Klassizistische
und romantische Ideen haben an der Ausstellung von 1830
keinen wesentlichen Anteil mehr. Die hervorragendsten Ver-
treter süddeutscher Romantik, Ferdinand Olivier und
M. Schwind, verlegen in diesem Jahr ihre Tätigkeit von
Wien nach München. Rudolf Alt, Amerling, Danhauser,
Fendi, Gauermann und Waldmüller werden als Repräsen-
tanten det künftigen Entwicklung der Alt-Wiener Malerei
auf dieser Ausstellung zum erstenmal deutlich erkennbar."
Aber wenn wir auch mit der Erfahrung rückgewandter Pro-
pheten an die Werke dieser führenden Künstler herantreten,
so fällt es uns doch schwer, ihnen gerecht zu werden; das
Milieu, aus dem die Auslesearbeit von hundett Jahren sie
gelöst hat, nimmt sie wieder zurück, wenn die uns geläu-
fige Einstellung auf die überragenden Einzelnen gehemmt
wird. Inmitten des alten Ensembles wirken die Stars beinahe
komisch wie dieses.

Auch in Paris gab es im vorigen Jahr einen Rückblick
auf die Kunst von 1830; zum Jubiläum der Romantik fand
die große Delacroix-Ausstellung im Louvre statt. Eine Ver-
gleichung mit diesem Ereignis wäre ungerecht; dort das

Lebenswerk eines einsamen schaffenden Titanen, hier ein
paar liebenswürdige Kleinigkeiten unter verstaubten Nichtig-
keiten. Man müßte versuchen, sich Delacroix' Liberte neben
Delaroches Kindern des Königs Eduard, Deverias Tod der
Jeanne dArc, Decamps Patrouille und türkischem Haus,
L. Roberts Ernte usf. vorzustellen, die alle im Salon von
1830 waren . . .

Die Sezession zeigt eine von Jens Thiis, dem Direktor
der Galerie von Oslo, zusammengestellte instruktive Ausstel-
lung norwegischer Malerei von heute; das Vorwort, das er
dem Katalog beigegeben hat, klingt in einen Wunsch für
die norwegische Malkunst aus: Fortschreiten auf dem von
internationalen Eindrücken befreiten Weg des nationalen
Schaffens. Dieser Wunsch steht nicht nur mit der Ausstellung,
sondern auch mit der entwicklungsgeschichtlichen Skizze
Thiis' selbst in einigem Widerspruch; Augenschein und
Überlegung lehren, daß die norwegische Malerei von Dahl
bis zur Gegenwart in steter Verbindung mit der deutschen
und französischen Kunst gestanden und aus diesem inter-
nationalen zu einem nationalen Stil nur dann aufgelaufen
ist, wenn die Größe der eigenen Leistungen für die anderen
Völker vorbildlich geworden ist. Münch, der am tiefsten
im allgemein Europäischen wurzelt, ist der norwegischeste
Künstler, weil er Europa am meisten gegeben hat; er ist
der größte nationale Maler, weil er der größte Maler der
Nation ist. Auch in dieser Ausstellung ist er unbedingt
überlegen. H. Tietze

GEORG EHRLICH, BILDNIS D. v. S. BRONZE

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