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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 30.1931

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Heft 2
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Post, Herrmann: Neues aus Amerika
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Friedländer, Max. J.: Paul Kristeller (gest.)
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https://doi.org/10.11588/diglit.7612#0080

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anderen Ausstellungen zeigen Graphik: eine Sammlung „von
Dürer bis Zorn", eine andere moderner Franzosen und eine
dritte moderner Amerikaner.

Die dreißigste Ausstellung des „Carnegie Instituts" in Pitts-
burg wurde am 15. Oktober eröffnet. Sie geht dann nach
Baltimore und St. Louis. Sie enthält Werke von fünfzehn
europäischen Nationen. Die Vertreter Deutschlands sind sehr
willkürlich ausgewählt.

Das „Museum of Modern Art" in New York wird als erste
Winterausstellung das Lebenswerk von Matisse zeigen.

Gerhard Hauptmann wird im Winter nach Amerika kom-
men. Thomas Mann folgt im Jahre 1933. Zu Vorlesungen an
der Columbia University.

Knoedler stellt vom Oktober bis zum November franzö-
sische Landschaften, vornehmlich aus eigenen Beständen,
aus: Bilder von Corot, Courbet, Daumier, Daubigny, Boudin,
Millet, Tb. Rousseau, Manet, Monet, Renoir, Degas, Sisley,
Pissarro, Cezanne, Seurat, van Gogh, Gauguin, Bonnard,
Vuillard, Picasso, Braque, H. Rousseau, Matisse, Derain, Dufy,
Segonzac, Utrillo u. a.

Die A. A. A. A. Galleries versteigern im Dezember die
Thomas B. Clarke-Collection. Sie enthält in der Hauptsache
eine 175 Werke umfassende Bildnissammlung, in der die
frühen amerikanischen Maler stark vertreten sind. Die Ver-

steigerung wird hier als das Hauptereignis der Kunstver-
steigerungen angesehen.

Die Gebäude des neuen „Whitney Museum of American
Art" wird von der New York Times folgendermaßen be-
schrieben: „Das Farbenschema der Fassade ist einem alten
Gebäude in Marakesch entnommen. Die Marmoreinfassungen
und Säulen sind griechisch. Ein großes Basrelief zeigt einen
Adler in weißem Metall. Die Tür ist aus Aluminium. Aus
diesem Metall sind auch die Einrahmungen der Fenster. Der
Stil ist modern, doch ist der Versuch gemacht, das Gefühl
für das Klassische nicht zu verlieren". Man sieht: das ist
allerhand!

Am i. Oktober wurde in New York der Riesenprachtbau
des neuen Waldorf-Astoria-Hotels eröffnet. Eine Radiobot-
schaft Hoovers und ein Festessen für sechstausend Gäste
leitete das Ereignis ein. Das Haus ist im Stil der amerika-
nischen „Movie Cathedrals" — wie man hier die Kino-
paläste nennt — erbaut. Die Architektur folgt der Tendenz,
dem Geist der Zeit zu huldigen, ohne die Verehrer histo-
rischer Stile vor den Kopf zu stoßen. Die Hauptattraktion
ist ein enormer Speisesaal, dessen Wände mit kolossalen
Wandgemälden des spanischen Malers Seret geschmückt sind.
Die Motive der Wandbilder sind dem Don Quixote ent-
nommen. Dr. Hermann Post (New York)

PAUL KRISTELLER f

VON

MAX J. FRIEDLÄNDER

Paul Kristeller ist am 2. Oktober aus einer Welt geschie-
den, an der er viel auszusetzen hatte, und aus einer
Zeit, die ihm ganz und gar nicht gefiel. Die Nachricht wird
auf die jüngeren Fachgenossen schwerlich einen so tiefen
Eindruck machen, wie es der Bedeutung dieses Kunstforschers
entspräche. Vor fünfzehn Jahren schon hat sich Kristeller
ausgeschaltet aus dem Betriebe, der seinen Grundsätzen
widersprach und ihm unerträglich erschien. Er war auf Grund
emsiger und gewissenhafter Arbeit die Autorität geworden
auf dem Gebiete des frühen italienischen Bilddrucks. Seine
Autorität ist nicht durch eine andere ersetzt worden, wohl
aber hat die Kunstforschung sein Gebiet und seine Methode
zu vernachlässigen begonnen.

Er nahm jede Aufgabe ernst und schwer und mußte be-
obachten, daß andere mit geistreichen Einfällen oder ly-
rischen Deklamationen leichter und rascher Erfolge erzielten
als er mit geduldiger Akribie. Er fühlte sich dazu berufen,
eine Bibliothek oder ein Kupterstichkabinett zu organisieren
und zu verwalten, und war seinem Charakter und seinen
Kenntnissen nach dazu in hohem Grade geeignet. In jungen
Jahren hat er in Italien mehr als eine staatliche Sammlung
von Kupferstichen geordnet, aber wenig Dank geerntet für
seine selbstlose Bemühung.

In Berlin geboren und aufgewachsen, studierte er in Leip-
zig bei Anton Springer. Mit der Dissertation — über die
Anfänge der Straßburger Buchillustration — betrat er ein

Gebiet, dem er mit ausdauerndem Studium treu blieb. Eine
Reihe wertvoller Publikationen über den florentinischen und
lombardischen Bilddruck folgte, reife Früchte nach eifriger
Arbeit in allen Bibliotheken Europas. Er hat aber auch,
die Grenzen seines SpezialStudiums überschreitend, eine
historische Darstellung des gesamten Bilddrucks verfaßt, die
in mehreren Auflagen bei Bruno Cassirer in Berlin erschie-
nen ist, und ein Buch über Mantegna geschrieben. Der
Paduaner mit seiner unerbittlichen Klarheit war ein Meister
nach seinem Herzen.

Als Gelehrte dauernd, mit innerer Befriedigung, ohne
Lehrberuf, tätig zu sein auf dem fragwürdigen Gebiete der
Kunst, mag wenigen gelingen. Kristeller resignierte früh.
Daß der Krieg ihm den Zugang zum Süden versperrte, daß
die Inflation seine wirtschaftliche Sicherheit bedrohte, waren
schwere Enttäuschungen. Zäh und tapfer hat er gegen Müh-
seligkeiten gekämpft, am Ende noch gegen Krankheit. In
der Erinnerung lebt er als ein redlicher Mann mit gütigem
Herzen, dem es nicht gegeben war, sich anzupassen, einzu-
schmeicheln oder durchzuschlängeln. Das Glück der Unab-
hängigkeit mag er um so tiefer empfunden haben, je größer
die Opfer wurden, mit denen er es erkaufte. Seine Verdienste
werden nicht vergessen werden und Anerkennung finden,
wo und wann der ethische Wert strengen Wahrheit-Suchens
gemessen und geehrt wird.

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