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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

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Heft 1 und 2
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Heft 3
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Scheffler, Karl: Nationale Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0092

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Gute Kunst ist stets eo ipso national, niemals aber nationalistisch. Will
man zwischen beiden Adjektiven unterscheiden, so blicke man auf Hein-
rich von Kleist. Dieser dichtete höchst patriotisch das Drama „Prinz
Friedrich von Homburg". Während er es aber tat, wuchs seinem großen
Talent das Werk ins Allmenschliche. So entstand jene ergreifende Schil-
derung der Todesfurcht des Helden. Eine vaterländische, streng nationale
Dichtung rührt an die Höhe Shakespeares — der ja selbst die Königs-
geschichte seines Landes in einer Reihe von Dramen gegeben hat,
nicht nur den Engländern, sondern der Menschheit. Nationalistisch da-
gegen handelten jene preußischen Offiziere, die mit lauten Äußerungen
der Entrüstung während einer Vorstellung des „Prinzen von Homburg"
das Deutsche Theater in Berlin verließen, weil sie die „Feigheit" des Prin-
zen für national würdelos hielten. Richard Wagner wäre, trotz der von
ihm behandelten deutschen Heldensagen, schon dort, wo Raupach ist,
der Dichter vieler Hohenstaufendramen — ein Name, heute so fremd
dem Ohr wie dem Herzen —, wenn er nicht ein großes, bodenständiges
musikalisches Talent wäre. Adolf Menzel, der größte deutsche Zeichner
neuerer Zeit, ist nicht ein nationaler Künstler um seiner Friedrichsbilder
willen. In ihnen ist er am schwächsten. Wilhelm der Zweite handelte
ihm gegenüber nationalistisch; denn er erhob Menzel in den Adel,
weil er in dem Künstler einen Popularisierer dynastischer Interessen sah.
Und die Franzosen handeln nicht weniger befangen nationalistisch, in
umgekehrter Richtung, ihrem großen Maler Courbet gegenüber, wenn
sie diesen immer noch nicht voll anerkennen wollen, weil er Anteil am
Sturz der Vendöme-Säule während der Kommune hatte. Die Beispiele
ließen sich häufen. Es ließe sich auf England verweisen, das seiner Ma-
lerei gegenüber — hier beweisen es sogar Marktpreise — stets eine ge-
wisse nationalistische Haltung eingenommen hat, mit der Folge, daß es
eine wahrhaft große Malerei in England nie gehabt hat. Oder auch um-
gekehrt: die Engländer denken künstlerisch nationalistisch, weil ihnen
eine große Malerei fehlt.

Stets bedroht nationalistische Beschränktheit, gehe sie nun von Nationen,
von Fürsten oder Parteien aus, die Reinheit und Größe der Kunst. Eben
darum ist es die Mission der Einsichtigen, die Kunst vor solchen Gefahren
nach Kräften zu schützen und immer wieder darauf hinzuweisen, daß nur
das wahrhaft Meisterhafte, behandle es immer Stoffe, welche es wolle,
organisch national erscheint, daß der Nationalismus aber, in allen seinen
Spielarten, die Kunst herabzieht und verdirbt.

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