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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

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Heft 1 und 2
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Heft 3
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Lamm, Albert: Erwiderung an Hans Meid
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https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0111

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Ich denke nicht daran, die Grenze zu ziehen, wo ich mit Hans Meid
nicht übereinstimme, denn eine solche Abwägerei ist ebenso quälend wie
unfruchtbar. Wir haben alle irgendwo recht und irgendwo unrecht; es
ist nicht möglich, dadurch weiter zu kommen, daß wir uns auf einige
einwandfreie Sätze einigen. Auf die große Grundauffassung kommt es
an. An die Grundauffassung, die mein Aufsatz zeigen sollte, will ich noch
einmal erinnern, um dann in Zukunft Erwiderungen im Stile dieser einen
hier auf sich beruhen zu lassen.

Ich habe im Jahre 1911 zum ersten Male in meiner Broschüre „Ultramalerei"
den Unsinn der naturlosen absoluten Malerei, alle die Versuche, in einer
Lockerung des Verhältnisses zur Natur eine neue Kunst intellektual zu
konstruieren, in ihrem aussichtslosen Unvermögen bloßgelegt; meine Bro-
schüre wurde vergriffen, der Krieg verhinderte ihre Neuauflage. Kein
Mensch fand den Mut, mich zu widerlegen.

Diese absolute Malerei ist bis heute nicht einen Schritt weiter gekommen;
aber sie hat, als eine große anonyme Organisation, die Presse, den Staat,
die Amter zu erobern und alle Freude an anderer Kunst zu verängstigen,
alle anderen Versuche zu ersticken gewußt. Ich verweise auf die kleine
Schrift von Richard Riemerschmid: „Wege und Irrwege unserer Kunst-
erziehung", in welcher nichts geringeres verlangt wird, als daß das Natur-
studium aulgegeben werden soll, da der Maler aus dem Kunstgewerbe
hervorzugehen habe, schöne Farbflächen liefern solle und hierzu das Photo-
graphieren mit der Hand nicht zu erlernen brauche. Der Terrorismus
dieser von keinem einzigen großen Manne, von keiner sichtbaren Größe
getragenen Bewegung hat bei uns eine Uniformierung alles Ausstellungs-
wesens veranlaßt. Auf keiner Ausstellung findet man mehr ein Bild, das
aus einer selbständigen Vertiefung in die Natur gewonnen wäre, nirgends
mehr kann ein Jüngerer zu Worte kommen, der um die einfache, echte
Wahrheit ringt; die schwüle Atmosphäre mystifizierender Phrase, Absichten
ohne die Fähigkeit, zu verwirklichen, das Greifen aller unberufensten Hände
nach allem Höchsten, das Anfänger mit den banalsten Mitteln zu gestal-
ten versuchen: das quillt uns überall entgegen, und das hat bewirkt, daß
das allgemeine Verhältnis zur Malerei tief erschüttert ist. Ich habe es an
dieser Stelle schon einmal bei anderer Gelegenheit gesagt: nicht die wirt-
schaftliche Lage ist es, die dem Malerberuf heute seine schlimmsten Sorgen
macht, sondern die allgemeine Wurstigkeit, wozu die ganze Malerei denn
noch da sein soll. Die Malerei ist fast hoffnungslos vom ganzen Leben
getrennt worden, weil sie sich selbst vom Leben getrennt hat und mit
Asthetenklüngeln und Impresarios auskommen zu können meinte.
Was haben dagegen die Akademien getan? Wo sind die jungen Maler

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