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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

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Heft 6
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Scheffler, Karl: Unsere Möbel
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https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0214

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Unsere Möbel

von KARL SCHEFFLER

Neulich war in Berlin Gelegenheit, durch eine Möbelausstellung zu gehen.
In den Messehallen am Funkturm. Es wurden nicht künstlerisch und hand-
werklich hochwertige Möbel gezeigt, der Nachdruck war vielmehr auf
wohlfeile Serienfabrikate, auf einfache Sparmöbel und „Kombinationsmöbel"
gelegt. Die Hauptabteilung war Ein- und Zwei-Zimmer-Wohnungen zum
Preise von etwa fünfhundert bis elfhundert Mark gewidmet. Durch diese
aktuelle Beschränkung wurde die Ausstellung aber nur um so lehrreicher;
denn sie zeigte unzweideutig, wie Angebot und Nachfrage im allgemeinen
heute beschaffen sind, wie sich die Konventionen des Wohnens gewandelt
haben, was in den letzten Jahrzehnten für die große Käuferschicht getan
worden ist und was zu tun bleibt.

Deutlich klingt in den Formen der Möbel, die heute zumeist gekauft werden,
ein vom Jugendstil umgewandeltes und ziemlich grob industriealisiertes
Barock und Biedermeier noch nach. Auch gegenständlich hat sich wenig
verändert: es gibt noch dieselben Arten von Schränken, Kommoden, Stühlen,
Tischen, BüfFetts usw., dieselbe Art von Gardinen, Teppichen und Be-
leuchtungskörpern. Dennoch unterschied sich diese Ausstellung in einem
entscheidenden Punkte von den alten Möbelausstellungen. Der Unter-
schied besteht darin, daß das Wünschenswerte, das ehrgeizig Erstrebte
damals die Wohnung mit vielen großen und hohen Zimmern, mit „Palast-
fenster und Flügeltür" war, überfüllt mit mächtig großen, in poliertem
Nußbaum, Mahagoni, Palisander oder anderen teuren ausländischen Holz-
arten ausgeführten Repräsentationsmöbeln, die weit überall aus der Wand
vorsprangen und ein aufdringlich kapitalistisches Ensemble bildeten, daß
heute aber an die Stelle der damals bevorzugten dunklen, satten Farbigkeit
ein heller Gesamtton getreten ist, daß alle Möbel kleiner und bescheidener
geworden sind, daß nicht die große Renommierwohnung mehr begehrens-
wert erscheint, sondern die kleine Siedlungswohnung und daß die Gesamt-
wirkung nicht mehr schwer und schwül sein soll, sondern hell und
durchsichtig. Für jene teuren Wohnungseinrichtungen, die viele Tausende
gekostet haben, gibt heute kein Mensch mehr den zehnten Teil des ehe-
maligen Wertes, die meisten mögen sie nicht geschenkt haben. Alle Möbel
sollen jetzt beweglicher sein. Die Zimmer sind mit einem Blick zu über-
sehen und enthalten nicht so viel Überflüssiges. Eine neue Wohnmode ist
aufgekommen, die natürlich eng zusammenhängt mit den tiefgreifenden
Wandlungen im Wirtschaftlichen und Weltanschaulichen.
So sehr dieser Wandel aber in die Augen springt, so wenig hat sich doch im

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