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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 32.1933

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Heft 3
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Georg Moore
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https://doi.org/10.11588/diglit.7617#0124

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George Moore t

Mehr als achtzigjährig ist George Moore gestorben. Ein englischer Dichter und Schrift-
steller. Unsere Leser kennen und lieben ihn um dessenwillen, was er einst über die
französischen Impressionisten, deren Freund und Genosse er war, geschrieben hat.
Ebenso graziös wie klug ergründend, treffend und zugleich heiter. Seine „Erinnerungen
an die Impressionisten" sind vor fünfundzwanzig Jahren in diesen Heften erschienen.
Sie sind dann auch als Buch vom Verlag Bruno Cassirer gedruckt worden; doch ist es
längst vergriffen. Besseres ist über die großen französischen Maler und über ihre Malerei
eigentlich nie gesagt worden. George Moore war einer der ihren, war selbst noch einer
aus der heroischen Zeit der Malerei; er hat mit den von ihm Bewunderten am selben
Cafetisch gesessen, hat sie im Atelier aufgesucht und die großen Talente menschlich ge-
sehen. Doch es wird am besten sein, ihm selbst das Wort zu geben und wenigstens die
ersten Absätze zu wiederholen, womit er seine „Erinnerungen" eingeleitet hat. Schon
in diesen wenigen Sätzen ist der ganze Mann enthalten.

■■■■

„Es war ein Glück für mich, daß ich Männer wie Mauer, Degas, Renoir, Pissarro, Monet
und Sisley in ihren Anfängen kannte, ehe die übrige Welt etwas von ihnen wußte.
Als mir meine Mutter die Wahl ließ zwischen Oxford und Cambridge, sagte ich ihr, ich
sei entschlossen, nach Paris zu gehn.

„Und deine Bildung, lieber Junge — du hast ja auf der Schule nichts gelernt."
„Eben darum, liebe Mutter, hab ich vor, mich ganz meiner eignen Bildung zu widmen,
und die kann man sich meiner Meinung nach eher im Cafe als auf der Universität ver-
schaffen."

So ging ich denn mit einem Kammerdiener nach Paris. Ich muß ihn unbedingt er-
wähnen, denn ein Diener bedeutet, daß man im Banne gewisser Konventionen ist; der
junge Mann aber, der nach künstlerischen Erlebnissen fahndet, muß sich von allen Kon-
ventionen zu befreien suchen — von politischen, gesellschaftlichen, konfessionellen.
Mein Diener blieb nur sechs oder acht Monate bei mir. »Sein beständiges Stöhnen nach
Roastbeef, Bier und einem Weib, seine Unfähigkeit, auch nur ein Wort einer fremden
Sprache zu lernen — die Betten, in denen er nicht schlafen, und die Weine, die er nicht

trinken konnte"--ich habe vergessen, wie der Satz weitergeht . . . so beschreibt Byron

seinen Diener (ich habe vergessen welchen oder sollte ich sagen: so beschreibt Byron,
wenn ich mich recht erinnere, seinen Diener': Einerlei — die Stelle steht, wie ich be-
merken möchte, in einem seiner Briefe, und der Satz schließt ganz gewiß: ... „veran-
laßten mich, ihn nach England heimzuschicken."

Dasselbe ereignete sich bei mir, und die Entlassung meines Dieners wurde durch Um-
stände herbeigeführt, die den von Bvron beschriebenen aufs II aar glichen.
Doch hinter diesen äußeren Gründen, meinen Diener loszuwerden, lag eine tiefere Ur-
sache: seine Gegenwart stand zwischen mir und meinem wahren Selbst. Ich wünschte
vor allen Dingen, ich selbst zu sein, und wenn ich ich selbst sein wollte, so fühlte ich,
daß ich körperlich und geistig das Leben des Quartier latin fuhren müsse. Ich selbst
war das Ziel, nach dem ich strebte, instinktmaßig sozusagen, aber immerhin — ich strebte
danach. Ich fühlte, daß ich mir das Leben selbst ausdenken müsse von einem Ende zum
andern, und wenn ich dies wollte, so fühlte ich — ich darf ruhig das Verb wiederholen,
denn zuzeiten ließ ich mich mehr vom Gefühl als von der Vernunft lenken — nun, ich

iio
 
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