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2

31ft)lfjofüflifdjß Reusahrsmünsche. ^

V

Ich wünscht', ich wäre Gott Mercnr, der fußbeschwingtc Bote; dann flog' ich zum Olvmp empor und trüg' zu Zeu« die Note: „ES schaut dort
nuten traurig auS und fraglich alleweile!-Steck', Vater Zeu«, im nächsten Jahr dock, fort die Donnerkeile!"

Ich wünscht', ich war' der starke Mar«, dann sprach' ich zu Frau VeuuS: „Dort unten murmelt mir von Krieg der alte Vater Rhenus. Doch
steig' ich nicht hinab und lass' mich im Genug nicht stören; der Liebe soll, der Lieb' allein da« nächste Jahr gehören!"

Ich wünschte, daß ick' BacchnS war', dann sprach' ich: „Kriegsgesellen! Gebt, wie au meine» Rheine« Strand die goldnen Trauben schwellen!

Auf. lagert euch, um beim Pccal jetzt Brüderschaft zu schließen!-Kein andre« darf als Reben bl nt im nächsten Jahre fließen!"

Ich wünscht', ich wäre Gott Apoll und lenkt' den Sounenwagen; dann wollt' de« Zweifel« Wolken ick von meiner Bahn verjagen und künden

laut der armen Welt, bedeckt von Nacht und Sorgen: „Emporgeschaut! Er naht, er naht, der besseren Zukunft Morgen!"

Ich wünscht', ick wäre Hercules, dann würd' ich ohne Säumen in Deutschland gleich den Augiasstall von Schmutz und Lumpen räumen; den

Uebermüth'gen böt' ich Trutz, wär' Schwachen eine Säule, und schlüg' der Zwietracht Drachen todt — Goddam! — mit meiner Keule!

Ich wünscht', daß ick ein Satyr wär' mit BockeS-Fnß und Schweife, dann lehrt' ich tanzen alle Welt nach meiner Friedenspfeife! — Im

Friedenstactc rühren müßt' sich Hammer, Dampf und Meißel, und wer den Tanz mir stören wollt' — den träfe meine Geißel!

Ich wünscht', ich wäre Zcu« — dann würd' ich zu mir selber sagen: „Laß. Alter, jetzo sein genug des Kriege« und der Klagen! Mil Frieden«-
blättern kränz' ich nun die Völker, die sich trennten, und schass' für jede« Friedensblatt —

Millionen Abonnenten!

Kladderadatsch.

Der erste Januar

Ein Sillenroman ans der Gegenwart.

WaS hör' ich draußen vor dem Tbor?

v. (Goethe.

Der Silvesterabend de« Jabre« war gekommen.

Draußen heulte der Sturm und trieb die großen Schneeflocken an die
Fenster. Drinnen aber, in dem behaglich erwärmten Salon, hinter den bohen
Spiegelscheiben, welche den Glan; der Lustre« widerstrahlten, saßen ans ihren
weichkantigen Fauteuils der Graf und die Gräfin.

„Wo er nur bleiben mag?" — sagte der Graf, große blaue Rauchwolken
an« seiner ächten Havana stoßend.

„Ich bin wirklich begierig sie kennen zu lernen!" — bemerkte die Gräfin,
indem sie eine kostbare Stickerei vom Kaminsim« herunter nahm und sie
dem Wachtelhunde zum Spielen hinwarf.

In diesem Augenblick öft'neten sich die Flügelthüren.

Ein reich dnrchwirkter Lakay meldete den Freiherrn Heinrich von Zie
genlänger und Fräulein Magarethe Butzak.

„Angenommen!" — herrschte der Gras ihm zu.

„Willkommen!" — lispelte die Gräfin.

Und herein traten die Angemeloeten.

II.

2- ist keine süßere )dce als die Richt-tbucrei,
und keine Beschäftigung herrlicher, als der
Müßiggang. Alles andere ist Hirngespinnst.

Kant.

Heinrich von Ziegenlänger war der Neste de« Grasen von Ealmus, den
wir bereits im ersten Eapitel kennen gelernt haben.

Graf Calmu« gehörte zu jenen Männern unserer Zeit, welche bei der
Verbindung ihrer Neffen weniger auf Ranges- und Standesunterschiede, al«
vielmehr aus viel mehr Geld und außerdem noch auf viel Geld so wie Haupt-
sächlich aber auf mehr Geld zu sehen Pflegen.

Unter diesen Umständen konnte ihm die Verbindung seines Schwester-
sohnes mit der Tochter de« reichen und allgemein geachteten BanquierS
Butzak nur willkommen sein.

III

Odl profaniiin vulgUM et nrcen.

v. Lchwenneberger.

„Niemals! Niemals!" — ries die Gräfin, als sich die Thüreu hinter den
Liebenden geschloffen. „Niemals werde ich zugeben, daß ein Ziegenlänger eine
Person heirathet, die in einer solchen Abendtoilette zu mir zu kommen wagt!"

„Aber Anrelie!" — wollte der Graf beschwichtigen.

„Ich bitte dich um de« Himmels willen!" — rief die Gräfin und rang
die Hände. „Hast du denn diese Aermel, diesen Kragen, diese Manschetten
gesehen? Welch geschmacklose Muster! Und der Schnitt ibres Kleide« — die
Farbe de« Stoffes — die Volant« — Nein! Niemals! Niemals!"

Der Graf kannte die Unerschlltterlichkeit der Gräfin. Er setzte sich an
leinen Poly'ander.Tiplomatentisckr und schrieb an seinen Neffen:

„Aus der Verbindung mit der Butzak kann nicht«
werden.

Graf Ealmus."

Berlh Rand.

Margarethe und Heinrich waren von dem Besuch bei Graf Ealmn« in
das Butzak'sche Han« zurückgekehrt.

Eine zahlreiche und elegante Gesellschaft füllte die Salon« de« BanquierS.

Die mcrcantilischen Notabilitäten der Hauptstadt hatten sich hier ver
sammelt, den Silvesterabend und da« Verlobung-fest de« Freiherrn von
Ziegenläuger mit Fräulein Margarethe Butzak zu feiern.

Da waren unter Anderen der Vorsitzende der „ Dawke- Partout-
Gesellschaft," der Präsident der >lLuclnuone8->', kom6-.Vs8ociLkiori- und
fast sämmtliche Directoren des »0I»urp6-nebu5ok6-Vereins," der größten Credit-
Anstalt des Landes.

Heinrich von Ziegenläuger sah sich bald von einem großen Kreise
mehr oder weniger incorporirter Börsenmänner umgeben, welche ihn in ein
Gespräch, das sich um die gegenwärtige Situation drehte, zu ziehen suchten.

Man fragte ihn, wa« er von der Lesterreichischen National-Anleihe halte,
ob sich Coburger wieder beben würden, ob er Zettclbank fixen möchte, welche
Ansicht er von Disconto Commandit Antheilen habe, und dergleichen.

Der Freiherr wußte weder zu antworten noch irgend Etwa« anznsühren.

Einige unverständliche Worte, die er hier und da stammelte, konnten nur
die Verachtung vergrößern, welche von den Spitzen der Gesellschaft auf ibn ge-
schleudert wurde.

Mißmull'ig suchte der unglückliche Bräutigam seine Braut. Er fand sie
in einem Nebensalon, auf einem Canapee in Tbränen gebadet.

„Ach, mein Geliebter! Mein Geliebter!" — rief sie ihm entgegen — „wir sind
verloren! Deine Unkenntniß in Geldsachen hat nur zu sehr deine Besitzlosig-
keit, deinen Mangel au Werthpapieren verrathen. Mau zuckt die Achseln!
Man rümpft die Nase! Mau bedauert meinen Vater, der seine Tochter einem
Proletarier zu geben gezwungen ist!"-

Am andern Tage erhielt Herr von Ziegenlänger folgendes Schreiben:
„Mein Herr!

Aus Ibrer Verbindung mit meiner Tochter kann nichts werden. —

In Geldsachen b'ört die Gcmüthlichkeit ans!

Hochachtungsvoll

Butzak."

V.

hinter, morgen wird'« was geben.

Morgen werden tcu tm« fren'n ?

. Akte» kied.

Zwölf Monate waren 'eit diesen Vorfällen verfloffen.

Wieder feierte man den Silvesterabend.

Wieder peitschte der Wind die großen Schneeflocken im Kreise, die GaSlater-
neu brannten matter, und die Equipagen rollten schneller dahin aus dem
Pflaster der Hauptstadt.

Im gräflich Calmus'scheu Palais aber funkelten die Stearinkerzen heller
als je und sandten Tropfen aus Tropfen auf die weißen Alpennacken und die
Schneehügel, welche die Mieder der Damen zu zersprengen drohten.

Freiherr von Ziegenläuger feierte seine Vermählung mit Margarethe Butzak.

Wie war das möglich?

Was hatte in dem so kurzen Zeitraum von einem Jahre die Versöh-
nung der Familien herbeijühren, Margarethen zu einer Modedame vom

-ifol

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