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08_

' Ans der Schicksals - Tragikomödie:

Der 24. Mai. ^5


Thiers (allein). Heut oder nie! Die große Stunde naht!

Noch eh' die Sonne finkt, muß fich's entscheiden.

Wer herrschen soll in diesem mächl'gen Staat —
Zurück muß Einer weichen von uns Beiden!

Heut oder nie! Wie heiß die Stirn mir brennt,

Wie vor Envartung mir die Pulse beben!

Nachgeben wird und muß das Parlament,

Sein Schicksal ist in meine Hand gegeben.

Tenn mit dem Polk verwob ich mein Geschick,

Nicht Hab' nach Gold und Glan; ich je getrachtet;

Als freier Mann der freien Republik
Hab' ich der Krone eitlen Glanz verachtet.

Doch wenn — unmöglich! — aber wenn cs doch
Zu trotzen wagt, nach meiner Macht begehrlich?

Nein, nein! Zu viele Freunde zahl' ich noch —

Noch bin dem Parlament ich »nentbchrlich.

Noch suhl' ich sicher, sichrer mich als je;

Und die mich leichten Spiels zu stürzen glaubten.
Erkennen sollen sie, daß fest ich steh' —

Mein ist die Macht, und ich will sie behaupte»!

Eh' müßt' die Welt aus ihren Fugen gehn,

Zerfallen müßten rings so Thron' als Reiche —

Und sollt' auch furchtbar Blutiges geschchn —

Eh' ich, par Visu! von diesem Platze weiche!

(Er klingelt. Ein Diener kommt.)

Tragt diesen Brief zum Marschall Mac Mahon.

Dort naht er selbst!

Gegrüßt von Herzensgründe!

Ich sehnte längst nach Excellenz mich schon;

Ihr kommt mir grade zu gelegner Stunde.

WaS steht, Herr Präsident, Euch zu Befehle?

Das Parlament läßt mir nicht Ruh' noch Rast.

Beruhigt Euch! Ich weiß, woraus ich zähle,

Und, was auch kommen mag — ich bin gefaßt!

Man will — mir ward es klar am heut'gen Morgen -
Man will mich stürzen! Was sagt Ihr dazu?

Mac Mahon. Vertraut mir! Nichts mehr habt Ihr zu besorgen;

Mit meinem Schwert verbürg' ich Frankreichs Ruh'.

Und seid Ihr, Herzog, sicher der Soldaten,

Daß sie Euch folgen auch ergebnen Sinns
In jedem Fall? — Ihr werdet wohl crrathe»,

Woran ich denke! — Seid Jhr's?

Ja, ich bin'S.

Versteht mich recht: „In jedem Falle", sag' ich.

Ganz wohl, — in — jedem Fall. — Gescheh', was muß
Hier meine Hand!

Und i» die Eure schlag' ich
Jetzt ein! O reicht die Lippe mir zum Kuß!

Mac Mahon Ich muß ihn küsse», thu ich'ü gleich nicht gern —
cs« Eettc). Hat doch auch Judas einst geküßt den Herrn!

(Umarmung. Mac Mahon ab.)

Vorletzte Scene.

Thiers. - Frau Thiers und Fräul. vosnc o?,*«»* hminftürzend).
*tw» Thiers. Verrath! Verrath! Gestürzt bist du vom Stuhl
Der Präsidentschaft! Gräßlich Unterfangen!


Mac Mahon
Mac Mahon.


Mac Mahon.

Mac Mahon

(langsam).

Kraul. DoSne. Da, lieS: DeS Mißtrau'ns Votum von Ernoul,
Mit sechszehn Stimmen ist es durchgegangen!
ThicrS. So lauft Herrn Mac Mahon jetzt schleunigst nach!

Ihr trefft ihn noch auf meiner Treppe Stufen.

Krau ThierS. O Herzeleid! O Jammer!

Kraul. DoSne. Schimpf und Schmach!

Der ist als Präsident ja auSgerufen!

Thiers. Unmöglich!

Krau Thiers. Durch die Straßen von Versailles

Schon tönt der Ruf-

Thiers. 'S ist eine Narrenpoffe!

Krau Thiers. Nein, bittrer Ernst! Ja, die Finanz.Canaille
Begrüßt Hern, Mac Mahon mit Jubel-Hausse,
Und dem Dictator beugt daS Volk den Nacken!
Kraul. Dosne. WaS ist zu Ihun?

Krau Thier». Laß »ns die Sachen packen!

(Beide schleunigst ab.)

Letzte Scene.

Thiers (allein). Jst's möglich denn? Gestürzt? Ich kann's nicht faffen!
Verrathen und von Feinden rings umgarnt,

Betrogen von den Freunden und verlaffen —

Nicht eine Seele, ach! die mich gewarnt!

Kein Augur noch Haruspcx, der die Zeichen
Gedeutet mir des unverhofften Falls!

Erliegen muß ich der Verschwörer Streichen,

I» des Vcrrathcs Schlinge sitzt mein Hals!

Wie Caesar bin zum Opfer ich erlesen,

Nur Dolch« sieht mein Aug', wohin es schaut!

Weib! Weib! Warst du Calpurnia gewesen!

Hätt' dir ein Traum das Schreckliche vertraut!

Gestürzt! Gestürzt! Tic Wellen, die mich trugen,
Mich zu verschlingen, rollen sie herbei!

Wie? Und die Welt erbebt nicht in den Fugen?

Des Erdballs Achse bricht nicht morsch entzwei?

'Weh mir! Schon sch' die Lohe ich entflamme»,

Der Hölle Geister steige» wild herauf,

Und mein Paris, cs stürzt und kracht zusammen,

Ein rauchender, ein einzgcr Trümmerhauf!

Darunter liegt die Republik begraben —

(Ein Diener kommt mit einem Briese.)

Diener. Ein Brief, Herr Präsident!

Thiers. Zeigt her, o zeigt!

Was melden aus Paris die Unglücksraben?

(Er lieft.)

„Paris ist — ruhig, und die Rente steigt."

Tie Rente steigt? — Verrathen und vergessen!

Die Renle steigt! — Wie Ihut mir das so weh!

Mein Leid vermag ein Gott nur zu ermessen,

Fließt, fließt, ihr Thränen! t'inis Ualliae!

(Er rerzebr« rer Schmer; sich selber.)

Der Borhang sali«.

firailifetadafrdi.

Feuilleton.-2^

Dem Doctor kassier rns sllbum.

Ich gratulire dir. daß du erhöht

Zum Doctor bist — die Wahl ist keine schlechte.

Sei nun ein Doctor beider Rechte,

Wie du ein Kenner bist der beiden Rechte:
Desjenigen, das in den Büchern steht,

Und des - wirklichen.

In dem Wahl-Programm der EenlrumS-Fraktion heißt eS, die
Partei werde bei den nächsten Wahlen

„ungebrochenen MulheS mit alle» gesetzliche» Mitteln für die Sache
der Wahrheit, des Rechtes und der Freiheit - ein Jeder
an seiner Stelle — einstehen."

Die Ultramontanen haben zwar einen starken Glauben: daß fie'aber
! glauben sollten, daß Jemand an diese» Programm glauben könne, das —

■ glauben sie wohl selber nicht.
 
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